express 06/2023 erschienen!

express 06/2023 erschienen!

Inhalt

Gewerkschaften Inland

Andreas Bachmann: »Die unendliche Geschichte« − (Kein) Equal Pay in der Leiharbeit      1

Erhard Schleitzer: »Truck Stop II« − Wie weiter nach dem Streik in Gräfenhausen? 2

express-Redaktion: »Erneuerung durch Streikkonferenzen?« − Ein Reisebericht von der RLS-Konferenz in Bochum 4

Heiner Dribbusch: »In trockenen Tüchern« − TVöD-Abschluss bei Mitgliederbefragung gebilligt 6

Betriebsspiegel

Marco Hamann: »Blick zurück von vorn« − Erfahrungen in der TVöD-Auseinandersetzung bei den Verkehrsbetrieben in Leipzig       6

Kommunalinfo Mannheim: »Tatort BASF, eine Spurensuche« − 87 Mrd. Euro Umsatz, 6,8 Mrd. Euro Gewinn vor Steuern, aber keine Lust auf Steuern und Entschädigungen 8

Tobi Rosswog: »It’s our Life«, genau! − Impulsrede auf der Aktionärsversammlung von VW 11

Mathias Grabow: »Was tun, wenn Intel kommt?« − Chancen und Herausforderungen der gewerkschaftlichen Arbeit bei der geplanten Intel-Ansiedlung in Magdeburg       12

Politik & Debatte

Karen Spannenkrebs: »Wir sind keine Handelsware« − über die Rekrutierung von Fachkräften im Gesundheitswesen       19

Internationales

Jochen Gester: »Müssen wir den Krieg gewinnen?« − Kommentar zum Interview mit Vitali Dudin       3

Julia Kaiser: »Industrielle Konversion in Campi Bisenzio?« − Herausforderungen des ökologischen Umbaus der Ex-GKN Fabrik in der Toskana       14

Streiksolibündnis Leipzig: »Amazon zahlt und liefert nicht« − Ein Bericht der Gewerkschaft Inicjatywa Pracownicza (Arbeiterinitiative) über die Hindernisse auf dem Weg zum Streik in Polen       16

Johannes Specht: »Fight for $15« − Gespräch mit Nicholas Allen von der SEIU       17

Rezensionen

Torsten Bewernitz: »Auf kleiner Flamme« − über Jule Ehms Versuch, dem Anarchosyndikalismus auf den Grund: nämlich den Betrieb, zu gehen       10

»Ethnisierter Nationalismus« − Peter Nowak* rezensiert Matthias Thadens Buch über exilkroatischen Rechtsextremismus       20

Editorial

Geneigte Leserinnen und Leser,

und schwups, da war er weg, der ganze schöne Enthusiasmus von der Bochumer Streikkonfe­renz: die ganze positive Power verwandelte sich Ruckzuck in negative Wut, als die bundes­weiten Hausdurchsuchungen bei der »Letzten Generation« öffentlich wurden.

Dabei sind wir aus zwei Gründen ja gar keine guten Freund:innen der »Letzten Generation«: Erstens bleiben ihre Forderungen – siehe da – etwas zu handzahm und decken sich eigentlich mit dem Koalitionsprogramm der Ampel-Regierung (Nachhaltigkeit, Ausbau Erneuerbarer, 9-Euro-Ticket, Tempolimit …), und wehren sich im Wesentlichen nur gegen das Tempolimit bei der Umsetzung. Zweitens finden wir ihre Methoden nicht wirklich geeignet, um dem Ansin­nen einer klimagerechten Transformation zu einer breiten Basis zu verhelfen.

Unsere Empörung hat einen anderen Grund: die sehr fix erledigte Entsorgung der Gewalten­teilung. Dass die bayrische Staatsanwaltschaft in enger Kooperation mit der Polizei – also der Exekutive – direkt mal eine kriminelle Vereinigung nach Paragraph 129 StGB konstruiert, lässt für die Zukunft der Demokratie hierzulande und woanders (Repression gegen die Kam­pagne »Aufstände der Erde« in Frankreich, Erschießung einer Aktivistin gegen die »Cop City bei Atlanta, USA) Böses ahnen. Die Dreistigkeit, mit der demokratische Prinzipien über Bord geworfen werden, um gegen eine Erweiterung der Demokratie vorzugehen, zeigt uns, dass wir die Schildkrötenkrallen (ja, Schildkröten haben Krallen!) ordentlich schärfen müssen. Das zu­nehmende Unternehmer-Krakele für eine Einschränkung des Streikrechts weist ganz grund­sätzlich in dieselbe Richtung.

Aber wie heißt es doch so schön? »Wandelt Wut in Widerstand!« Dass sich mit 1.550 Besu­cher:innen der Streikkonferenz in Bochum die Teilnehmerzahl im Vergleich zur letzten Kon­ferenz in Braunschweig 2019 nahezu verdoppelt hat, lag u.a. auch daran, dass sich eine neue, junge Generation von Klimaaktivist:innen für Betrieb und Gewerkschaft zu interessieren be­ginnt. Die Redaktion lässt in einer eigenen Reflexion die Erfahrungen der Konferenz Revue passieren (S. 4) und Johannes Specht steuert ein Interview mit dem SEIU-Kampagnenleiter der »Fight for $15«-Kampagne Nicholas Allen bei, der auf der Konferenz zu Gast war (S. 17).

Es gibt bereits kritische Stimmen, die den Enthusiasmus der Streikkonferenz verfrüht finden. Aber, um den Enthusiasmus zu befeuern, noch eine Streiknachricht: In den USA streiken zur Zeit die Drehbuchautor:innen. Als das vor etwa einem Jahrzehnt das letzte Mal geschah, hat uns das im Nachklapp Streikfolgen ungekannter Art beschert: In diversen Serien wurde das Thema eingebaut. Auch diesmal wieder vorne dabei: Unser Lieblingsteam von Startrek. Schön, dass Tasha Yar, Seven of Nine und Beckett Mariner in der Picket Line zu entdecken sind. In diesem Sinne, geneigte Leserinnen und Leser, verbleiben wir bis zur kommenden Ausgabe mit dem Wunsch einer angenehmen Lektüre und einem beherzten »Engage!«

Bildnachweis

Mit der Bildstrecke reisen wir dieses Mal zu den Abgründen der Rohölgewinnung, nämlich in die Ölsandfelder Westkanadas, wo die Industrie seit Jahren Landschaft abträgt und Erde vergiftet. In ihrer autobiographischen Erzählung führt uns Kate Beaton zurück ins Jahr 2005, als sie 22jährig beschloss, ihr Studiendarlehen durch einen Job in einer »Werkzeugbutze« abzuarbeiten. Aus ihrem zweijährigen Beschäftigungsverhältnis berichtet sie über den Raubbau an der Natur, über unwürdige Arbeitsbedingungen sowie über geschlechts­spezifische Gewalt in einer männlich dominierten Arbeitswelt. Wir danken dem Verlag für die Bildüberlassung!

»DUCKS – Zwei Jahre in den Ölsanden« von Kate Beaton, Reprodukt u. Zwerchfell 2023, 448 Seiten, zweifarbig, Hardcover, 29 Euro, ISBN 978-3-95640-383-5

express 09/2022 erschienen!

Gesamtausgabe zum Download

Inhaltsverzeichnis

Gewerkschaften Inland

Kristin Ideler, Yanira Wolf: »Streikwelten, die sich aufeinander zu bewegen« – Wie der 8. März 2022 feministische und gewerkschaftliche Streikstrategie weiterentwickelt hat            11

Anton Kobel: »Aus den Wurzeln, nicht den Wipfeln« – Anregungen, Begegnungen, Erfahrungen mit und von Bodo Zeuner 14

Betriebsspiegel

Lars Hirsekorn: »Die ›Rücken‹ des Kapitalismus« – Auswirkungen der Inflation im Betrieb       1

Thomas Zmrzly : »Die Bewegung in alle Kliniken tragen« –Die Krankenhausbewegung NRW und der Tarifabschluss Entlastung      4

Jakob Stengel: »Oberschwester Hildegard, der Kampf geht weiter!« – Arbeitskämpfe an den Uni-Kliniken Frankfurt a.M. und Marburg/Gießen     5

Christian Lelek: »Das Wombat’s hatte in jeder Hinsicht ein Alleinstellungsmerkmal« – Ein Erfahrungen mit gewerkschaftlicher Organisierung in einem
Berliner Hostel           6

Gaston Kirsche: »Hungerstreik für Lohnzahlung « – Ein Beispiel aus der Bauwirtschaft Deutschlands  10

Politik & Debatte

Harald Rein: »Keine Atempause…? Oder Zeit zum Luftholen!« – Sozialismus, Existenzgeld und Erwerbslosenbewegung         9

Bewegung mit Recht

René Kluge: »Klare Pflicht und wertvolles Potenzial« – Über die Betriebsversammlung  8

Internationales

»Für eine transnationale europäische Linke« – Ein kritischer Bericht vom Transnational-Social-Strike-Treffen in Sofia   12

Re-Visited

Herbert Marcuse: »Ich habe nie behauptet, dass der Kapitalismus krisenfest ist« – Interview aus express international, Nr. 95, April 1970       2

Rezensionen

Andreas Bachmann: »Verbindlich und robust« – Broschüre »Für Solidarität und Gute Arbeit« bei ver.di erschienen            15

Torsten Bewernitz: »Der erste Punk« – Die Overall Brigade singt die Lieder Joe Hills     16

Kurzes

Antipasti         13

Editorial

Geneigte Leserinnen und Leser,

klimatechnisch gesehen haben wir nach dem heißen Sommer eigentlich gar keine Lust auf einen heißen Herbst, wie er vielerorts angekündigt wurde. Andererseits spart das – auch im Büro des express – Heiz- und Energiekosten…

Aber wird der Herbst denn tatsächlich heiß? Die warnenden Stimmen malen einen mehr oder minder rechtsextremen Mob an die Wand, inspiriert durch un-soziale Bewegungen wie Pegida und zuletzt die Querdenker (oder Teile davon). Als Vergleichsfolie werden hier auch die französischen Gilets Jaunes herangezogen, die in den Medien des Mainstreams ja gerne als »irgendwie rechts« dargestellt wurden, weil sie gegen ›an sich‹ vernünftige Öko-Steuern protestiert hätten.

Prophylaktisch hat die eine oder andere linke Organisation, vor allem die arg geschüttelte Partei gleichen Namens, schon mal mit Kundgebungen und Demonstrationen begonnen – sei es, um dem vermeintlich kommenden rechten Protest den Wind aus den Segeln zu nehmen, sei es, um endlich wieder einen Fuß auf den Boden sozialer Bewegungen zu bekommen. Zumindest international hat ein heißer Herbst in jedem Fall schon begonnen: In Russland wird wieder in größerem Stil gegen die Putinsche Mobilmachung demonstriert und im Iran eskalieren die Sozialproteste, während wir dem express den letzten Schliff verpassen.

Krisentheoretiker:innen wie Streikstatisti­ke­r:in­nen gehen oft und gerne davon aus, dass sozioökonomische Verwerfungen zu sozialen Protesten und Bewegungen führen. Wie sozial diese im Einzelfall sind und ob es sich um eine »wirkliche Bewegung« handelt, ist letztlich noch eine andere Frage. Doch gedeiht der so­ziale Widerstand besser, wenn er besonders nötig oder aber, wenn er besonders möglich ist?

Der express versucht sich deswegen nicht in Kaffeesatzleserei, sondern wir konzentrieren uns – gerade erst aus der wohlverdienten Sommerfrische zurückgekehrt – auf das, was bisher geschah, denn das Jahr 2022 war so arm an sozialen Bewegungen nicht: Weiterhin beschäftigen uns die Streikbewegungen in Soziales und Erziehung (S. 11) und in den Krankenhäusern (S. 4) sowie eine »wilde«, migrantisch geprägte Streikaktion in Hamburg (S. 10). Die Bewegung im Hostel Wombat’s (S. 6) ist zwar schon etwas länger her, aber gerade für alle anregend, die das Potential von Betriebsräten (dazu auch S. 8) in solchen Hipster-Unternehmen ausloten wollen.

Denkanstöße für die »wirkliche Bewegung« der Zukunft finden sich in Harald Reins Nachdenken über Erwerbslosenbewegung und Existenzgeld (S. 9), in dem Bericht über das Treffen des Transnational Social Strike-Netzwerks in Sofia (S. 12) und in dem Interview mit Herbert Marcuse in unserer Reihe »re-visited«, das 52 Jahre danach nichts an Aktualität verloren hat.

Nicht zuletzt ist – auch das ist ja für die kommenden heißen Herbste von Belang – die Frage des Organizings Thema. Mit Anton Kobels Reflexionen über Gewerkschaft als soziale Bewegung erinnern wir auch an unseren liebenswerten Kollegen und Gesprächspartner Bodo Zeuner (S. 14). Wir erwähnen das Thema Organizing an dieser Stelle noch einmal ganz explizit, weil wir ja genau an diesem Punkt bereits in zwei Wochen, am 8. Oktober, live und vor Ort mit euch darüber diskutieren wollen – auf dem nun endlich stattfindenden Geburtstagskongress des express.

Bis dahin und darüber hinaus wünschen wir eine angenehme und entspannte Lektüre – aber nicht zu weit im Lesesessel zurücklehnen!

Denn nur wer aufsteht, kann sich auch wi(e)der setzen.

Bildnachweise

›Normalerweise‹ sieht die Bildstrecke des express aus wie aus einem Guss, da sie ›normalerweise‹ der Feder eines kreativen Geistes entspringt. Das ist dieses Mal anders, die Grafiken unterscheiden sich recht stark, da sie von verschiedenen Künstler:innen gestaltet sind.

Was sie jedoch zusammenhält, sind Texte, die den meisten express-Leser:innen nicht fremd sein dürften: Vor 50 Jahren, ziemlich genau zwei Monate, bevor der express international mit der Sozialistischen Betriebs­korrespondenz fusionierte, erschien das erste Album von Ton Steine Scherben, »Keine Macht für niemand«.

Anlässlich dieses 50-jährigen Jubiläums hat der auch ansonsten in Sachen Comic und Musik beschlagene Ventil Verlag elf Comiczeichner:innen gebeten, sich mit jeweils einem der Songs dieses Albums zu beschäftigen und ihn danach zu befragen, ob er für die heutige politische Weltlage noch Relevanz besitzt. Entstanden sind elf eigenwillige Interpretationen, die die vielen Facetten des Albums einfangen, das Parolenhafte wie auch das Zarte, die Kritik aber auch die Utopie.

Eine illustre Auswahl aus diesen Comics präsentieren wir euch in dieser Ausgabe des express. Wir danken dem Verlag, insbesondere Jonas Engelmann, sowie den beteiligten Grafiker:innen – und natürlich den Scherben: Thank you for the music! Who could live without it? Eure Avatare J

Gunther Buskies, Jonas Engelmann (Hg.): Keine Macht für Niemand. Ein Ton Steine Scherben Songcomic. Ventil Verlag, Mainz 2022. ISBN 978-3-95575-181-4. 18 Seiten, 25 Euro (erscheint am 10. Oktober!) www.ventil-verlag.de