Die Antipasti 12/2020…

Die Antipasti 12/2020…

… gibt es wegen chronischer Überfüllung der gedruckten express-Seiten schon mal vorab online:

Urteil ohne Straftat I

Der ver.di-Landesbezirk Bayern wendet sich mit einem offenen Brief an den Landesinnenminister Joachim Herrmann, um die Ausweisung der Kollegin Banu Büyükavci zu verhindern. Die Ärztin ist eine der Angeklagten im Münchner TKP/ML-Verfahren und dort zu dreieinhalb Jahren Haft verurteilt worden; ein Revisionsverfahren konnte sie bislang nicht anstrengen, weil die schriftliche Urteilsbegründung noch aussteht. Wie in allen Verfahren nach Paragraf 129 des Strafgesetzbuches genügt die (Konstruktion einer) Zugehörigkeit zu einer bestimmten Vereinigung für eine Verurteilung, ohne dass eine konkrete Straftat nachgewiesen werden muss. Büyükavci wurde nach Paragraf 129c verurteilt für die Unterstützung einer terroristischen Organisation im Ausland. Verboten ist die türkische TKP/ML hierzulande allerdings nicht. Einzig die Türkei stuft sie als Terrororganisation ein. Durch lange Untersuchungshaft, zeitweise in Isolation, hat die Kollegin ihre Haftstrafe bereits verbüßt.

Urteil ohne Straftat II

In Hamburg hat mehr als drei Jahre nach dem Gipfel der Prozess zur G20-Demonstration im Rondenbarg, einer Straße in einem Industriegebiet begonnen. Die Staatsanwaltschaft strebt in dem Verfahren die Verurteilung der Angeklagten für ihre bloße Teilnahme an einem Demonstrationszug an, dessen Zweck es gewesen sei, Straftaten zu begehen. Der kleine Demozug war am Morgen des 7. Juli 2017 mit massiver Polizeigewalt gestoppt worden, es gab etliche Schwerverletzte. Die von der Polizei behaupteten Attacken durch Demonstrierende konnten auch durch ihr Videomaterial nicht belegt werden, darauf sind im wesentlichen Macker in Uniform zu sehen und zu hören. Sollte es zu den Verurteilungen kommen, wäre das ein übler Präzedenzfall im deutschen Demonstrationsrecht.

Siehe https://rondenbarg-prozess.rote-hilfe.de/

Blockaden wirken

Nach Blockadeaktionen von Landwirten hat der Discounter Lidl angekündigt, den Abnahmepreis für Schweinefleisch um 1 Euro/Kilo zu erhöhen und die Erhöhung an die Kundschaft weiterzugeben. Am 8. Dezember hatten Bauern an verschiedenen Standorten Lager von Aldi blockiert, stellvertretend für die Einzelhandelsriesen, die als Großabnehmer die Preise für landwirtschaftliche Produkte diktieren. Die Aktion steht im Zusammenhang mit einem Richtlinienvorhaben des Bundeslandwirtschaftsministeriums, das kleine Agrarbetriebe gegenüber den dominierenden Abnehmern stärken soll – laut Ministerium soll untersagt werden, dass der Käufer Bestellungen von verderblichen Lebensmitteln kurzfristig storniert, dass Händler einseitig die Lieferbedingungen, Qualitätsstandards, Zahlungsbedingungen usw. ändern, und dass die Bezahlung für gelieferte Lebensmittel lange hinausgezögert wird. Die Chefs der großen Handelsketten hatten sich in einem offenen Brief an die Kanzlerin gegen die angebliche Diffamierung durch Ministerin Klöckner gewandt und tiefe persönliche Betroffenheit über die mangelhafte Würdigung ihrer Leistungen ins Feld geführt. So haben sie den Zorn der Landwirte auf sich gezogen.

Süßes oder Saures

Am 6. November 2020 verkündete die Unternehmensleitung auf einer Mitarbeiterversammlung die Schließung des Haribo-Werkes in Wilkau-Haßlau in Sachsen. Die Entscheidung wurde den Beschäftigten in einer kurzfristig anberaumten und nur wenige Minuten dauernden Veranstaltung mitgeteilt. Mit dem Vorgehen hat Haribo auch gegen gesetzliche Bestimmungen des Betriebsverfassungsgesetzes verstoßen, es muss rechtzeitig informiert werden. Im Betrieb arbeiten 150 Beschäftigte. Ein erster Verhandlungstermin zwischen Unternehmensleitung und Betriebsrat blieb ohne Ergebnis. Das Werk ist der einzige Standort von Haribo im Osten der Republik, hier wurde bereits zu DDR-Zeiten für Haribo produziert. Gegen diesen Beschluss hat sich im Betrieb und in der Region schnell Widerstand formiert. Bei einer Online-Petition konnten über 14.000 Unterschriften gesammelt werden.

Am 21. November fand eine Kundgebung mit über 500 TeilnehmerInnen in Zwickau statt, bei der die örtlichen BürgermeisterInnen und Sachsens Wirtschafts- und Arbeitsminister Martin Dulig (SPD) sprach. Das langjährige Haribo-Werbegesicht Thomas Gottschalk kritisiert die Schließung: „Wenn man sich auf die Fahne geschrieben hat: ‚HARIBO macht Kinder froh, und Erwachsene ebenso‘ muss man das auch als Arbeitgeber ernst nehmen“.

Weitere Informationen: www.ngg.net/ost