Der express 12/2020 ist erschienen!

Der express 12/2020 ist erschienen!

Druckausgabe 12/2020

Inhaltsverzeichnis

Gewerkschaften Inland

Jens Benicke: »Maximale Ausbeutung, minimale Sicherheit« – Nicht nur Werkverträge und Leiharbeit, auch Minijobs verschärfen die soziale Unsicherheit 1

René Kluge: »Im Steinbruch Betriebsverfassung« – Debatten um Gesetzesänderungen für Betriebsräte 3

»Mehr als wohlklingende Begriffe« – Das Centro Frankfurt-Rödelheim im Interview 7

»Defensiverfolge« – Einschätzungen zum Tarifabschluss im öffentlichen Dienst 15

Betriebsspiegel

Hermann Bueren: »Schöne agile Arbeitswelt?« – Arbeitswelten für agile Beschäftigte (Teil 3) 4

AG Einzelhandel: »Studis aller Städte, organisiert euch!« – Jobben im Supermarkt 6

Internationales

Ewgeniy Kasakow: »Streik bei Pandemie-Profiteuren« – Die Kuriere des russischen Lieferservice-Giganten gründen eine Gewerkschaft 2

Wilfried Schwetz: »Die Jesuitenreduktionen in Südamerika« – Klerikale Despotie oder christlich-sozialistische Utopie? 12

Heiko Bolldorf: »Arbeitskämpfe beim jugoslawischen Borovo-Kombinat« –
Zwischen Klassenkampf und Nationalismus 14

Rezensionen

Sören Niemann-Findeisen: »Der grüne Faden« – Dierk Hirschels »Gift der Ungleichheit« 8

Torsten Bewernitz: »Nicht nach Interessen, sondern nach Köpfen organisieren?« – Jodi Dean konzipiert Solidarität parteiförmig 9

Peter Nowak: »Der andere Blick auf die chinesische Kulturrevolution« – Wu Yiching setzt Maßstäbe für eine linke Kritik am chinesischen Staats-kapitalismus 10

Rudolf Walther: »Exemplarische Solidarität« – Lateinamerika-Solidarität der deutschen Linken in den 1979er und 80er Jahren 11

Banda, Bernadette und Brecht / Bundesregierung / Dominique Manotti 16

Wir trauern

Zum Tod von Christian Krähling 2

Bildnachweise

Illustriert haben wir die vorliegende Ausgabe mit Wilfried Schwetz‘ Bildern von Kirchen aus ehem. jesuitischen Missionsdörfern, vorrangig in der Chiquitania, im Gebiet der jesuitischen Moxos-Mission (beides Bolivien) oder auf den viehwirtschaftlichen Landgütern (Estanzien) in Argentinien. In Chiquitania wurden von 1691 bis 1767 zehn sog. Reduktionen gebaut, wovon zwei (San Juan Bautista und Santo Corazon) nach der Vertreibung verlegt wurden. Die meisten dortigen Kirchen, von denen heute sechs Unesco-Weltkulturerbe sind, wurden erst kurz vor der Vertreibung errichtet; eine, Santa Ana de Velasco, wurde noch nach der Vertreibung durch die Indios errichtet. Bis auf die Kirche in San Jose sind alles Holzkirchen, die durch ihre Pracht und ihre handwerkliche Perfektion bestechen. Drei Kirchen wurden von dem Schweizer Martin Schmid, zwei weitere von einem seiner Kollegen geplant. Die anderen drei östlich von San Jose sind verfallen bzw. durch Neubauten ersetzt worden. Die Kirche in San Ignacio ist nicht mehr original, sondern wurde in den 1940er Jahren zerstört und anschließend rekonstruiert, sie ist deshalb kein Weltkulturerbe. Ab Beginn der 1970er Jahre wurden die Kirchen durch den Schweizer Architekten und Jesuiten Hans Roth in 20-jähriger Arbeit renoviert.

Es gab insgesamt 15 Reduktionen im Gebiet der Moxos, die ersten beiden waren Loreto und Trinidad (heute Hauptstadt des Beni).

Die sechs jesuitischen Estanzien bei Cordoba, die nicht als Reduktionen bezeichnet werden, haben ihre eigene Geschichte. Caroya (1616), Jesus Maria (1618), Santa Catalina (1622), Alta Gracia (1643, hier wuchs Che Guevara auf), La Candelaria (1683) und San Ignacio (1725).

Wir danken herzlich für die Bilder und den erläuternden Text auf den Seiten 12 und 13!

Editorial

Geneigte Leserinnen und Leser,

in Erwägung, dass der express eine Zeitung ist, die viele von Euch auch zu den AutorInnen zählen darf, müssen wir mal fragen: was ist denn da mit Euch allen los?

Ist es die Pandemie, die Euch die Zeit gibt 1) spannende Bücher zu schreiben, 2) sofern ihr sie nicht schreibt, sie offenbar intensiv zu lesen und 3) darüber auch noch sehr anregende Rezensionen zu schreiben?

Leider ist gerade keine Buchmesse, wann eine nächste sein wird, steht in den Sternen, aber eigentlich müssten wir mal eine Literaturbeilage machen. Aber vielleicht ist es ja nur einer der üblichen Marktmechanismen, nämlich der, nach dem Verlage im Herbst und Winter, irgendwo zwischen Frankfurter Buchmesse und Weihnachten, sehr viele Bücher machen. Jedenfalls: Vor einem Jahr mussten wir auch ohne Corona schon verdächtig viele Buchrezensionen drucken…

Wir hätten Euch ja in diesem Sinne gerne eine etwas dickere Jahresend-Ausgabe zur Lektüre zwischen den Jahren serviert. Aber unsere Druckerei geriet so schon ins Schwitzen – ebenso wie wir, als wir mal ganz spontan die Schlussredaktion und den Umbruch um zwei Tage verschoben haben, damit der express rechtzeitig unter den Weihnachtsbäumen liegt. Dafür haben wir aber ein anderes Schmankerl: Der gesamten Auflage ist die gemeinsam von IG Metall und ProAsyl herausgegebene Broschüre Rassismus als Arbeitsmarkthindernis für Flüchtlinge beigelegt, verfasst von unseren AutorInnen Nikolai Huke und Doreen Bormann.

Also genug Lesestoff für den Lockdown zwischen den Jahren … aber trotzdem haben wir eine ganze Reihe von Rezensionen in die vorliegende Ausgabe aufgenommen. Denn die besprochenen Bücher von Wu Yiching (S. 10), Jodi Dean (S. 9) und Benjamin Huhn (S. 11) stellen allesamt die Frage nach der Tradition des Sozialismus – im letzten Falle mit deutlichem Bezug auch zur Geschichte des Sozialistischen Büros. Gemeinsam mit den Beiträgen zum ehemaligen Jugoslawien (S. 14) und auch zu den südamerikanischen Jesuitenreduktionen (S. 12) liefern sie nicht nur ein international(istisch)es Potpourri, sondern weiteren willkommenen Stoff zur Diskussion unseres Untertitels – eine Diskussion, die wir auch in den kommenden Ausgaben weiterführen werden.

Apropos Untertitel: Thomas Heilmann, seines Zeichens CDU-Direktkandidat des Bezirks Steglitz-Zehlendorf, ließ im Bundestag verlauten, Sozialismus habe in den Betrieben nichts zu suchen (nachzulesen in Oxi 11/2020). Ja, wo denn sonst? möchte man dem erbost entgegenhalten. Wir sind also bockig und bleiben erst mal bei »sozialistischer Betriebs- und Gewerkschaftsarbeit«. Dass es hier auch weiterhin Widerspruch gibt – dazu mehr im nächsten Jahr.

Bis dahin wünschen wir einen besinnlichen Jahresausklang bei guter Gesundheit und Lektüre.

express 04-05/2020 erschienen!

express 04-05/2020 erschienen!

Druckausgabe express 04-05/2020

Inhaltsverzeichnis

Gewerkschaften Inland

Solidarisch gegen Corona / Fever: »Corona-Partys des Kapitals« – Die Zustände in der Fleischindustrie S. 1

René Kluge: »Bewegung mit Recht« – Gesundheitsschutz in der Corona-Pandemie S. 4

Roman Waldheim: »Die Krise macht’s möglich…« – … und fast niemand sagt was zur Aussetzung
des Arbeitszeitgesetzes S. 5

Hermann Bueren: »Das Agile Unternehmen – Arbeiten in Echtzeit« – Kritik des Leitbilds aus der Perspektive der Beschäftigten S. 6

Nikolai Huke: »Das ›Geiz ist geil-Vergabesystem‹« – Die Problematik privatisierter Sprachkurse und Maßnahmen für Flüchtlinge S. 13

Toni Richter: »Autos kaufen, Autos kaufen, Autos kaufen…« – Über die PR-strategischen Verrenkungen der IG Metall S. 15

Karin Zennig: »Erinnern heißt verändern« – Hanau nach dem Anschlag vom 19. Februar S. 18

»Prekär, migrantisch, solidarisch« – Gespräch mit den Critical Workers Berlin S. 19

Betriebsspiegel

Ülkü Süngün: »Asparagus officinalis coronae« – Eine Künstlerlandverschickung S. 8

»Strawberry Fields forever« – ErntehelferInnen in Bornheim (Bonn) im spontanen Ausstand S. 11

Internationales

Heiko Bolldorf: »Corona und Brot in Kroatien« – Angriffe auf die Situation der Beschäftigten
und die Antworten der Gewerkschaften S. 16

Rezensionen

Slave Cubela: »Migrantische Leidensgenossen« – Viele offene Fragen nach der Lektüre eines enttäuschenden Buches S. 12

Peter Nowak: »Wider den linken Geschichtspessimismus« – die ›Dynamik der Revolte‹ S. 20

Kurzgefasst

Subversion & Schabernack S. 2

Editorial S. 3

Antipasti S. 3

Sozialismus oder was? Zuschriften zur Untertitelfrage S. 17

Bildnachweise

Die Einzelporträts von Saisonarbeitskräften bei der Spargelernte wurden von Ülkü Süngün aufgenommen. Die Entstehung der Bilder wird in ihrem Text auf den Seiten 8 ff. geschildert. Ülkü Süngür bedankt sich für die Kooperation bei Giani Dano, Alexandru Balogh, Alex Balogh, Ioan Dano, Istvan Boros und ihre KollegInnen sowie Klaus und Philipp Bauerle.

Die anderen Aufnahmen sind nicht aus diesem Jahr, aber thematisch ähnlich gelagert; fotografiert wurden sie von Fritz Hofmann. Die Karikatur auf der Rückseite verdanken wir der Zuschrift unserer Leserin Simone Lehnert. Allen dreien danken wir herzlich für die Überlassung der Bilder. Die Bildrechte verbleiben bei den UrheberInnen.

Editorial

Geneigte Leserinnen und Leser,

wer hätte gedacht, dass die Corona-Pandemie dermaßen viel Bewegung mit sich bringt.

Fangen wir an mit zwei Themen, die es bewegt und erntefrisch in unsere gute alte Bleibildwüste geschafft haben: Die Pandemie ›beschert‹ uns einen seltenen Fall von Arbeitskämpfen unter Saisonarbeitskräften, nämlich auf dem Spargelgut Ritter in Bornheim bei Bonn (siehe S. 11) und – endlich! – die Einsicht auch in der Politik, dass Werkverträge offenbar nicht das Wahre sind. Seit Jahrzehnten kritisieren wir dieses fleischgewordene Institut moderner Arbeitsmarktpolitik und kapitaler Abwälzung von Profitabilitätsrisiken auf die Beschäftigten. Doch für einen radikalen Perspektivenwechsel brauchte es in der Tat erst Corona, genauer: besorgte Bürgermeister und Kommunen, denen ein neuerlicher Lockdown durch die steigenden Infektionszahlen in den zu ihrem Einzugsgebiet zählenden Massenunterkünften drohte (s. S. 1). In der Fleischindustrie hat das Werkvertragsunwesen bislang besonders widerwärtige Blüten getrieben (schön nachgezeichnet in Wolfgang Schorlaus Krimi »Der zwölfte Tag«), nun findet es hier vielleicht auch mal sein verdientes Ende. Man wird ja wohl noch mal träumen dürfen: Was der Fleischindustrie unrecht ist, kann doch für die Regaleinräumer und Autositzpolsterinnen nur billig sein.

Man mag die Begriffe »Lupe« oder »Brennglas« schon gar nicht mehr in den Mund nehmen, aber ob nun die Gemüseernte, das »Schweinesystem« Fleischindustrie oder auch Pflege und Einzelhandel: Es werden alte Probleme offensichtlicher – die Überausbeutung migrantischer Arbeitskraft, die Verwundbarkeit der Beschäftigten in den völlig wahnwitzigen Lieferketten…

Dabei ist der Spargel geeignet, die Spaltung von Redaktionen herbeizuführen. Während die einen zum Falle Bornheim fragen: »Was wird aus dem schönen Spargel?« (obgleich dort aktuell eher Erdbeeren gepflückt wurden…), halten andere das für »fahle, holzige, geschmacksneutrale Wurzeln« (das einzige Mal, dass wir die Jungle World zitieren, versprochen!), von denen das Pippi komisch riecht.

Man mag sich jedoch auch des Eindrucks nicht erwehren, dass das Gerücht, man habe durch die Pandemie mehr Zeit, teilweise stimmt – innerhalb der Online-Sitz-Redaktion lässt sich das mit Sicherheit nicht bestätigen. Doch uns erreichen nicht nur außergewöhnlich viele, sondern auch außergewöhnlich lange Beiträge. Wir sind gewappnet: Erstens haben wir, mit befreundeten Organisationen und Medien, den Blog corona-at-work.de eröffnet und wollen Euch ermuntern, dazu beizutragen. Zweitens werden wir, schon ab dieser Ausgabe, das eine oder andere online dokumentieren – den Anfang macht die Vollversion des Beitrags von Hermann Büren zu agiler Arbeit (S. 6). Um diesbezüglich auf dem Laufenden zu bleiben, empfehlen wir euch noch einmal nachdrücklich die Anmeldung zu unserem Newsletter auf https://express-afp.info.

Bleibt nur zu hoffen, dass Ihr, geneigte Leserinnen und Leser, neben all der gar nicht geringer gewordenen Arbeitskraftvernutzung und im Zuge der regen Betriebsamkeit aktivistischer Netzwerke (über die die Redaktion ebenso uneins ist wie über die Liebe zum Spargel: Haben die KollegInnen von der analyse und kritik Recht damit, dass es vor allem darum geht, das eigene Ohnmachtsgefühl zu kaschieren, oder ist es ein veritables Bewegungshoch?) auch genug Zeit findet, das alles zu lesen. Möge es besser bekommen als der blutige Spargel an holzigem Dry Age-Steak in viralem Texas-Wonderdust-Rub …