express 8/2025 erschienen!

express 8/2025 erschienen!

Inhalt

Gewerkschaften Inland

Ulrich Maaz: »Wenn ich groß bin, werde ich ausbildungsplatzsuchend« – eine Bestandsaufnahme zur dualen Berufsausbildung   6

Josef Kraft: »Im Angebot: ausländische Auszubildende« – über das Geschäft mit der Hoffnung auf eine gute Ausbildung   7

Betriebsspiegel

»Die Belegschaft hat einen dicken Lohnverlust am Bein« − ein Gespräch mit Daniel Schreiber über Thyssen-Krupp   4

Gaston Kirsche: »Es wird flexibilisiert wegen fehlenden Personals« − Gespräch mit Kerstin Neuendorf über die Arbeitsbedingungen bei der Deutschen Post   5

Gaston Kirsche: »Nur noch ein Bullshitjob« − Gespräch mit Felix Plogshagen über die Auswirkungen des neuen Postgesetzes   5

Renate Hürtgen: »Was passiert, wenn Belegschaften ihren Betrieb übernehmen?« − neue Fragen an ein altes Thema   12

»Die Aufbrüche aus den Scherbenhaufen der Niederlagen freilegen« − Renate Hürtgen im Gespräch mit Christiane Mende über die Glashütte Süßmuth 1970   12

Bernd Gehrke: »Betriebsbesetzung im Stahl- und Walzwerk Hennigsdorf 1991« − eine Erinnerung  14

Dietmar Dathe: »Betriebsbesetzungen in Ostdeutschland 1991–1994« − Presseschau 15

Dario Azzellini: »Selbstverwaltete Betriebe als Chance?« − Buchvorstellung und Gespräch mit Renate Hürtgen über die Schwierigkeiten der Arbeiterkontrolle   16

Arbeitsrechte in prekären Lebenslagen (8)

»Ausländerbehörde zufrieden, Arbeitsbedingungen katastrophal« − Gespräch mit Khaled Al Bitar und Shabana Hewad 3

Politik und Debatte

Charly Außerhalb: »Braune Phantasien blühen überall« − zur aktuellen Diskussion um das Bürgergeld   1

Europa-Express

Roland Erne: »Wieso gehen die Leute auf die Straße?«  − Anlässe transnationaler sozioökonomischer Proteste in Europa   9

Rezensionen

»Dann werden wir eben siegen! Das Ende der Arbeiterbewegung, wie wir sie kennen« – über Marcel van der Lindens Perspektiven auf die Arbeiterbewegung   10

Editorial

Geneigte Leserinnen und Leser,

bevor Kinder in die Schule kommen, gibt man sich alle Mühe, ihnen das als etwas Erstrebens­wertes zu vermitteln. Zur großen Einschulungsfeier gibt es eine Zuckertüte, die im besten Fall prall gefüllt ist mit Süßigkeiten, bunten Stiften und anderem Erfreulichen. Der Übergang vom Kindergarten, in dem ganztägig gespielt werden darf, zur Schule, in der auf einmal Stillsitzen angesagt ist, wird durch ein Tamtam an Übergangsritualen erträglich gemacht.

Fragt sich, warum es sowas nicht auch für den Übergang zur Ausbildung gibt. Die nervige Schulbank muss man immer noch drücken. Und dazu dreimal wöchentlich den ganzen Tag im Betrieb herumstehen, wo man sich zu allem Übel noch von Ausbilder:innen anpöbeln und von Vorgesetzten den freiwilligen Sprachkurs verbieten lassen muss.

Schon klar: Auszubildende, die mit Zuckertüten in ihren Betrieb spazieren, sind eine befremd­liche Vorstellung. Vielleicht braucht es aber bald Rituale, die den Ausbildungsstart erträgli­cher machen, wenn es mit der Berufs(aus)bildung weiter bergab geht. Pünktlich zum jährli­chen Ausbildungsbeginn widmen wir uns Problemen, die es nicht erst seit gestern gibt: Immer mehr junge Menschen gehen leer aus bei der Suche nach einer Ausbildung, die sie interessiert (S. 6). Und immer häufiger werben Unternehmen Auszubildende aus Drittstaaten an, denen sie dann grundlegende Rechte verwehren und deren Abhängigkeit vom Ausbildungsplatz sie ausnutzen (S. 7).

Was hilft dagegen? Einige Vorschläge finden sich in den Texten. Man könnte allerdings auch weiterdenken: Was wäre, wenn die Beschäftigten ihre Betriebe selbst schmeißen würden? Wie würden sie ihre lernenden Kolleg:innen dann unterstützen? Wir wissen es nicht. Um das herauszufinden, bräuchte es erst mal eine nennenswerte Zahl von Betrieben in der Hand ihrer Belegschaft.

Immerhin: Manchmal tun sich Lohnabhängige zusammen, um ihren Betrieb zu besetzen oder gar zu übernehmen. Diesem Phänomen widmet sich der Schwerpunkt dieser Ausgabe: Von heutigen selbstverwalteten Betrieben (S.16) über die Betriebsbesetzungen, mit denen sich ost­deutsche Beschäftigte in den 1990er Jahren gegen Massenentlassungen wehrten (S. 14/15), bis zur Übernahme der Glashütte Süßmuth in Immenhausen 1970 (S. 12). Der Rückblick lohnt, denn er wirft Fragen auf, die in die Zukunft gerichtet sind (S. 12).

So weiterzumachen wie bisher, ist jedenfalls keine Lösung. Dann malocht man vor sich hin, ist der Willkür des Arbeitgebers ausgeliefert und kann wenig tun gegen den Druck, immer schneller zu machen, wie Beschäftigte der Post berichten (S. 5) – ohne dass der express und Millionen Briefe deswegen schneller kämen, im Gegenteil: Der Gesetzgeber macht’s möglich, dass Verspätungen zur Regel werden.

Und stimmen die Profite des Unternehmens nicht, wird man gekündigt – oder soll auf Lohn verzichten, um den eigenen Arbeitsplatz zu retten, wie in der hoch subventionierten Stahlin­dustrie (S. 4). Also gar nicht arbeiten? Viel hilft auch das nicht, denn wer Bürgergeld bezieht, wird zum Hassobjekt einer ganz großen Koalition von der extremen Rechten bis zur soge­nannten »Mitte der Gesellschaft« (S. 1). Bleibt also doch nur die Hoffnung auf eine neue Ar­beiter:innenbewegung (S. 10).

Wir wünschen anregende Lektüre!

Bildnachweis

Warum braucht es sie noch mal, die »sozialökologische Transformation«? Weil Klimawandel heißt, dass die Menschheit nicht einfach so weiterproduzieren kann wie bisher, ist ja klar. Sonst nämlich hat Berlin bald einen Ostseestrand. Und eine Milliarde Menschen verliert wo­möglich ihre Lebensgrundlage.

Wie sehr der Klimawandel die Erde schon verändert hat, erfährt man in Roberto Grossis gera­de in deutscher Übersetzung erschienenem Comic »Die große Verdrängung«. Die Menschen haben in den letzten 250 Jahren das Weltklima so verändert wie sonst nur ein Asteroidenein­schlag: »In vorindustriellen Chroniken gibt es Beschreibungen, die heute unvorstellbar sind. Vogelschwärme, die drei Tage brauchen, bis sie eine Region überquert haben. Büffelherden, so weit das Auge reicht in der nordamerikanischen Prärie. Schiffe, die von mittags bis zum Sonnenuntergang durch Gruppen von Pottwalen fuhren.« Nein, das kann man sich wirklich nicht mehr vorstellen.

So eindrücklich Grossi die verheerenden Folgen des Klimawandels zeichnet, so oft er auf Zahlen und wissenschaftliche Erklärungen zurückgreift, so sehr geht es ihm im Kern um et­was anderes: Die Verdrängung des Klimawandels ist überall. Grossi begibt sich auf eine Su­che nach den Gründen, warum die Menschen, besonders im globalen Norden, wissen, dass die Zeit drängt, aber wenig unternehmen. Vielleicht hat es damit zu tun, dass sie verlernt haben, sich eine Zukunft vorzustellen, die nicht apokalyptisch ist.

Wir danken dem Avant-Verlag herzlich für die Überlassung der Bilder!

Roberto Grossi: Die große Verdrängung. Aus dem Italienischen von Myriam Alfano, Avant-Verlag, Berlin 2025, 208 Seiten, vierfarbig, 17 x 24 cm, Flexcover, ISBN: 978-3-96445-146-0, 25 Euro.

Spendenaufruf für den express

Nachladen, aufrüsten, mobilisieren?

Geneigte Leserinnen und Leser, liebe Freund:innen des express,

trifft sich die Frankfurter Redaktion des express im Büro im Bahnhofsviertel, reisen die Mitglieder – wer hätte es gedacht – nicht im SUV an, sondern mit Fahrrad, Bus, Bahn oder zu Fuß. Und wenn man so im Bus sitzt und merkt, dass der Akku des Mobiltelefons zur Neige geht, ist man dankbar für eine Gelegenheit, das Ding zu laden. Ein Glück, dass das in den Nahverkehrsbussen geht. Ein Redaktionsmitglied war letztens trotzdem schwer enttäuscht, denn es hatte nur ein altes Kabel parat, während der Ladestecker im Bus schon auf den aktuellen USB-C-Standard ausgelegt war.

So lernt man: Alle paar Jahre braucht es neue technische Ausstattung, will man nicht abgehängt werden, sondern am Nerv der Zeit und interventionsfähig bleiben. Wer nun denkt, dass wir der Stärkung ›resilienter Verteidigungsfähigkeit‹, wie es derzeit euphemistisch heißt, das Wort reden, kennt den express schlecht.

Gerade wenn sich alles zu beschleunigen scheint, braucht es Widerstandsfähigkeit, Konversionsideen und Technologien für andere Zwecke, als sie der Zeitgeist auf seinem Weg, die Verhältnisse zurückzudrehen, predigt. Das gilt allemal für eine Zeitung, die sich dem Anachronismus verschrieben hat. Oft und gern weisen wir darauf hin, dass es den express schon seit 1962 gibt. Eine »Zeitung für sozialistische Betriebs- und Gewerkschaftsarbeit« klingt nach 20., wenn nicht 19. Jahrhundert. Das Layout unserer gedruckten Ausgabe (ja, textlastig!) wie die Aufmachung unserer Website (ja, handmade!) sind ebenso in die Jahre gekommen, wie unsere Beiträge (ja, ohne KI verfasst!) sich immer noch und immer wieder der alten kapitalistischen Misere und ihrer unabgegoltenen, deshalb zeitgemäßen Aufhebung widmen. Wir finden, das hat Zukunft – und arbeiten gerade deshalb daran, mit der Zeit zu gehen.

Zum Beispiel bei der technischen Infrastruktur. Sonst wird man, so wie unser Redaktionsmitglied im Bus, einfach abgehängt. In unserem Büro stehen in der nächsten Zeit dringende Modernisierungsmaßnahmen an, denn unsere EDV-Ausstattung ist so hoffnungslos und (leider) irreparabel veraltet, dass sie uns bisweilen wie der berühmte Feind in den eigenen Reihen vorkommt: Von der Produktion des express über den Umbruch bis zum Vertrieb kostet sie wertvolle Arbeitszeit und raubt uns Ressourcen, die für wichtigere Ziele des express erforderlich sind.

Dafür brauchen wir Geld, denn wir können diese Investitionen nicht aus den laufenden Einnahmen finanzieren. Und hier kommt Ihr ins Spiel: Wir bitten um Eure finanzielle Unterstützung, damit wir weiterhin wie gewohnt arbeits- und einsatzfähig sind.

Wir freuen uns also über Eure Spenden – auch über kleine!

Natürlich würde uns auch der Abschluss neuer Abos helfen oder die Empfehlung an Freund:innen, Kolleg:innen oder Genoss:innen, die aus der Zeit fallende, und gerade deshalb lesenswerte gewerkschaftspolitische Monatszeitung express zu abonnieren. Oder Ihr überprüft mal, ob

Ihr statt Eures ermäßigten Abos den Standardpreis zahlen könnt. Das alles würde dazu beitragen, die finanzielle Basis des express zu stärken.

Für die erwähnten Investitionen in neuere Technik helfen uns Eure Spenden jedoch am besten. Sie lassen sich übrigens, ein Hoch auf die Gemeinnützigkeit, von der Steuer absetzen.

Wir danken herzlich für Eure Unterstützung!

Eure Redaktion express