express 12/2022 erschienen!

express 12/2022 erschienen!

Gesamtausgabe zum Download

Inhaltsverzeichnis

Gewerkschaften Inland

Tobias Seitz: »Nur dem Interesse des Staats« – Warum die Finanzkontrolle Schwarzarbeit keine Beschützerin für migrantische Beschäftigte ist 8

Marian Swerdlow: »Keine Demokratisierung durch Abkürzung« – Kritik an Jane McAleveys Konzept der »organic leaders« im Organizing 12

Betriebsspiegel

Anton Kobel: »Kaufhof und Karstadt vorm Ende – Wo ist ver.di-Handel?« – Galeria Kaufhof/Karstadt erneut in Insolvenz: Zukunftskonzepte gefragt 1

Hans-Christian Stephan: »Leipziger Allerlei« – Die Machtressourcen der Leipziger Logistikarbeiter:innen 6

Politik & Debatte

Wolfgang Völker: »Die Faulenzer sind zurück!« – Über Bürger und Geld 4

Internationales

Katharina Keil: »Fabrikbesetzung for Future« – Die Belegschaft eines Automobilzulieferers verteidigt ihr Werk und schlägt Brücken zwischen Arbeit und Umwelt 9

Alex N. Press: »Automatisierung auf den Kaianlagen« – Weniger Arbeitsplätze und häufig keine Verbesserung der Produktivität. Ein Interview mit Rebecca Schlarb 10

RE-VISITED

Ena Bonar: »Vorwärts und oft vergessen – die Solidarität!« – Zu den Bündnissen gegen Hartz IV und andere Sozialkürzungen – aus express 8/2004 2

Rezensionen

Wolfgang Völker: »Neue Prüfungsordnung« – Reflexion der Bewegung der Gelbwesten mit Pierre Rosanvallon 14

Wolfgang Hien: »Fehlende Worte« – Über Slave Cubelas Geschichte der »Industriellen Leidarbeit« 15

Ulrich Maaz: » Widerstand gegen die Ausbeutung von Mensch und Natur « – Zum Sammelband »Ist das System Tönnies passé?« 16

Editorial

Geneigte Leserinnen und Leser,

es ist schon fast traditionell in der Vorweihnachtszeit: Offenbar haben unsere Autor:in­nen deutlich mehr Zeit zum Lesen und in den Frankfurter Räumen gehen vermehrt Rezen­sionen ein. Das mag natürlich auch daran liegen, dass sich die Verlage bemühen, rechtzeitig zu Weihnachten entsprechend zu publizieren. Im Fall von Wolfgang Hiens Rezen­sion zu Slave Cubelas im Januar 2023 erscheinender Publikation über »Arbeitsleid« (S. 15) ist das nicht so. Wolfgang Hiens Rezension des Manuskripts liegt uns schon seit geraumer Zeit vor, aber der Lektor des Buchs ist nicht in die Pötte gekommen. Auch Wolfgang Völkers Rezension zu »Die Prüfungen des Lebens« (S. 14) passt nicht in diese Kategorie, denn sie ist eher als Auseinandersetzung mit den Thesen Pierre Rosanvallons zu den zurückliegenden Protesten der Gilets Jaunes zu lesen.

Es gab Jahre, da ging das mit den Rezensionen so weit, dass der Dezember-express fast nur aus Buchbesprechungen bestand. Davon sind wir in diesem Jahr weit entfernt, im Gegenteil präsentieren wir ein poppig-postmodernes Potpourri aus Internationalem zu einer klima(bewegungs-)freundlichen Besetzung eines Autozulieferbetriebs in Italien (S. 9), der gar nicht so produktiven Automatisierung in der US-Hafenarbeit (S. 10) und dem gar nicht so demokratischen Organizing der »Organic Leaders« bei Jane McAleveys (S. 12). Und wir beschäftigen uns –der Vorweihnachtszeit angemessen – betrieblich mit den – ebenfalls arbeitsleidgeprüften – Beschäftigten bei Amazon bzw. anderen Warenlogistikern (S. 6f.) und bei Karstadt/Kaufhof (S. 1).

Da immer weniger Menschen zu letzteren gehen, um ihre Weihnachtsgeschenke zu besorgen, bringen die Geschenke oftmals nicht weiß-rot gekleidete Weihnachtsmenschen, sondern blau-gelbe (oder auch andere) Post- und Paketbot:innen. Ver.di hat zumindest für die Blau-Gelben die sympathische Lohnerhöhungsforderung von 15 Prozent gestellt (S. 5). Mal schauen, ob die Kolleg:innen postalisch abgehen – »Going postal« hat sich im US-amerikanischen Slang als Begriff eingebürgert, der Riots und Amokläufe beschreibt. Ein kleiner Hinweis auf die nicht gerade idealen Arbeitsbedingungen in der Branche (wir empfehlen, sich noch mal Jan Böhmermanns schönes Arbeiterlied von den »Versandsoldaten« anzuhören und -schauen).

Wir wissen natürlich nicht, wo ihr, geneigte Leserinnen und Leser, eure Weihnachtsgeschenke kauft. Aber gebt nicht alles aus, sondern lasst vielleicht auch für uns noch den einen oder anderen Euro übrig. Das läuft, so viel können wir verraten, schon ganz gut, dennoch haben wir auch der letzten Ausgabe unseres Jubiläumsjahrs nochmal einen Spendenaufruf beigelegt.

Der Dezember gilt als besinnlich, auch wenn die Innenstädte (Online-Versand hin oder her) nicht gerade Besinnlichkeit, sondern Stress assoziieren lassen. Das gilt auch für‘s express-Büro im grundsätzlich eher besinnungslosen Bahnhofsviertel: Vor Jahresablauf rechnen wir noch mal fleißig, treffen uns vereinsorganisatorisch und redaktionell, planen Aktivitäten für das kommende Jahr und produzieren die nun vorliegende Ausgabe sehr frühzeitig und somit auch mit höherem zeitlichen Druck– um ebendiesen aus der Druckerei zu nehmen und möglichst sicher zu stellen, dass das Blättchen auch rechtzeitig unterm Weihnachtsbaum liegt.

Wir hoffen, das hat auch dieses Jahr geklappt, und wünschen eine – dann aber wirklich – besinnliche Lektüre und Zeit! Damit das im neuen Jahr auch klappt mit dem ›Froh-und-munter-Sein‹.

Bildnachweis

Die Bildstrecke der vorliegenden Ausgabe stammt diesmal aus der Graphic Novel »Dreimal Spucken« von Davide Reviati, übersetzt von Myriam Alfano, erschienen im avant-verlag. Auf 562 schwarz-weißen Seiten, keine davon überflüssig, erzählt und zeichnet Davide Reviati die Geschichte dreier Berufsschüler und ihres von Langeweile und Trostlosigkeit geprägten Aufwachsens in der italienischen Provinz. In ihrer Nachbarschaft lebt eine Roma-Familie. Insbesondere zu Loretta, der Tochter der Familie, fühlen sich die drei Jungs hingezogen, zugleich aber auch von ihr abgestoßen. So vermischen sich in der mal nüchternen, mal traumhaften Darstellung Alltagsrassismus, Gewalt und Anziehungskraft, mal als psychische Übertragung, mal physisch ausgelegt und -gelebt. Der Anti­ziganismus der drei Protagonisten und der anderen Dorfbewohner:innen wird dabei immer wieder auf eindrückliche Weise durch historische Verweise auf den Völkermord an Sinti und Roma kontextualisiert, die Einheitskonstruktion des »Gadje«-Blicks auf »die Zigeuner« dabei zugleich durchbrochen durch die Geschichte und Geschichten der Familie Lorettas.

Eine gelungene Montage und Einladung, es nicht mit den Dorfbewohnern zu halten: »Die machen Feuer im Haus. Und geben mit ihren Karossen an wie die Fürsten. Mehr weiß ich auch nicht. Und das ist schon zu viel. (…) Zigeuner eben. Was braucht man da zu wissen?«

Wir danken Verlag, Autor, Übersetzerin sowie Filip Kolek, unserem Inspirator und stets zuverlässigen Vermittler in Sachen Graphic Novel!

Davide Reviati: Dreimal Spucken,
avant-verlag, Berlin 2020. 562 Seiten,
ISBN: 978-3-96445-042-5, 34 Euro.

Der express 11/2021 ist erschienen!

Der express 11/2021 ist erschienen!

Druckausgabe express 11/2021

Inhalt:

Gewerkschaften Inland

Ulrich Maaz: »Gestaltungsstarke Gewerkschaft in der Transformation?« – Anmerkungen zum Gewerkschaftskongress der IG BCE 4

»Das zarte Pflänzchen ökologischer Klassenpolitik« – Interview mit zwei Aktiven der Kampagne TV N 6

»Eine Wette auf die Zukunft« – Interview mit Massimo Perinelli zur Geschichte der deutschen Einwanderungsgesellschaft und migrantischer Arbeitskämpfe 11

Betriebsspiegel

Clemens Melzer: »Digitales Organizing im Familienbetrieb« – WIKUS-Arbeiter:innen fordern eine Kleinstadt-Dynastie heraus und feiern Betriebsratserfolg 1

Heiner Dribbusch: »Der ausbleibende Aufstand« – Analysen zur die Streikbereitschaft bei Amazon 10

Politik & Debatte

Thomas Handrich: »Die Mauer muss weg!« – Augenzeugenbericht aus dem Grenzgebiet Polen-Belarus 2

Torsten Bewernitz: »Das Museum als demokratische Intervention« – Die Landesausstellung ›Arbeit & Migration‹ im Mannheimer TECHNOSEUM 20

Bewegung mit Recht

René Kluge: »Wenn das nicht politisch ist…« – Aufgaben und Handlungsspielräume von Wahlvorständen bei der Betriebsratswahl 5

Internationales

Sergio Bologna: »Die Besonderheit der heutigen Krise« – Über den aktuellen Zustand der Logistikbranche 8

Mohammad Ali Kadivar, Peyman Jafari, Mehdi Hoseini und Saber Khani: »Ein kommender Aufstand?« – Zur gewerkschaftlichen Organisierung iranischer Ölarbeiter 14

Doug Henwood: »Der große Streik 2021?« – Hintergründe der Arbeitsverweigerung in den USA 16

Rezensionen

Klaus Dallmer: »Zieh schneller, Uncle Sam« – Amerikanische Kriegspropaganda als Roman 17

Peter Nowak: »Widerständigkeiten im Neoliberalismus« – Auf der Spur rekomponierter ›Arbeiter-Literatur‹ 18

Eva-Maria Bruchhaus: »Erinnern, erfahren, ernst nehmen« – Zur ›Kollektiven Erinnerungsarbeit‹ 18

Nachruf

Anton Kobel: »Ein großer Verlust« – Nachruf auf Achim Neumann 19

Kurzgefasst

Antipasti 17

Vermischte 19

Editorial

Geneigte Leserinnen und Leser,

langsam geht das Jahr zu Ende. Es ist Herbst und Corona. Das muss nicht zwangsläufig zu Depression oder nach außen gekehrtem Irrsinn führen. Ein pandemischer November führt offenbar auch dazu, dass unsere aktiven Leser:innen, ergo Autor:innen, deutlich mehr lesen und damit auch deutlich mehr rezensieren – und davon haben auch sog. Passiv-Leser:innen etwas. Es gibt Schlimmeres …

Die Jahresendzeittemperaturen motivieren daneben aber offenbar auch zum Museumsbesuch: Torsten Bewernitz hat mal eines der wenigen Privilegien als Zeitungsredakteur in Anspruch ge- und an der Pressekonferenz zur Eröffnung der Mannheimer Ausstellung »Arbeit & Migration« teilgenommen (S. 20) – aus Letzterer stammt auch unsere Bildstrecke in diesem Monat. Im Dezember legen wir dann mit einem Beitrag von Gaston Kirsche nach, der sich im Hamburger Museum der Arbeit »Konflikte« angeschaut hat – ob und wie man diese ›sehen‹ kann, ist in vielerlei Hinsicht umstritten. Doch seht, lest und vergleicht selbst, wenn das gute Stück unter’m brennenden Baum liegen wird.

Wir erwarten allerdings nicht, dass es angesichts der gut gekühlten Witterung zu Anfällen vorweihnachtlicher Besinnlich- und Barmherzigkeit und einem politischen Wärmestrom kommen wird. Einer der wichtigsten Beiträge der aktuellen Ausgabe ist Thomas Handrichs Augenzeugenbericht von der polnisch-belarussischen Grenze (S. 2f.). Selbst wenn mittlerweile mehr über diese ›Games with Frontiers‹ berichtet wird: Die Forderungen bleiben, die Mauern müssen weg – auch in den Köpfen der Ampelist@s, die sich mit den Innen-Seehofers und Außen-Maas dieses Landes einig sind: Das Wichtigste ist die Befestigung der Außengrenzen – den einen der Christbaum, den anderen der Eiswald.

Und wo wir schon bei Kälte sind, darf der Jahrestag der Selbstenttarnung des NSU und eine Reflektion zu 60 Jahren deutsch-türkischem Anwerbeabkommen nicht fehlen – dazu ein ausführliches Gespräch von Karin Zennig mit Massimo Perinelli (S. 11). Lang, aber nicht langweilig ist auch das Interview mit Autor:innen des Kollektivs climate.labour.turn zur Zusammenarbeit von Klimabewegung und Gewerkschaften im Öffentlichen Personennahverkehr (S. 6) – Bewegungswärme für Klimaveränderung mit Richtungsänderung – oder die vielen kleinen und größeren Aufstände gegen frustrierend froststarrende Verhältnisse (S. 1, 14, 16, 17).

Achtung, kleiner Sprung: Was fehlt in dieser Ausgabe? »Wir sind immer mehr Frauen«, wie ein verehrter Autokoordinationskollege mal formuliert hat. Und hier der unelegante Übergang: Auch wenn wir unsere geneigten Leser:innen durchaus für jünger, weiblicher und queerer halten als die manch anderer Zeitung, hinter der kluge Köpfe stecken: Alt werden wir als Zeitung trotzdem. Kommendes Jahr sogar 60 Jahre alt. In Worten: SECHZIG Jahre Kritik, Widerspenstigkeit und frische Luft im Kopf. Wir wollen (uns und andere) zu diesem Anlass fragen:

Haben wir nicht immer schon Organizing gemacht? War nicht der Arbeitsfeldansatz des Sozialistischen Büros und der Erfahrungsansatz schon ein Organizing-Ansatz? Und, gemeinsam übrigens, was uns besonders freut, mit unseren Schwesterredaktionen der Widersprüche und des links-netz fragen wir uns im kommenden 60. Jahr, wie sich gewerkschaftliches Organizing, (transformatives) Community Organizing und Gemeinwesenarbeit befruchten oder befehden und wie sie sich von den wohldosierten Partizipationsprisen in gewerkschaftlichen und gesellschaftlichen Mobilisierungsmechaniken unterscheiden.

Solltet ihr unsere Eindrücke schnell noch korrigieren wollen, dann schreibt uns: Was erwartet ihr von einer 60-jährigen Schildkröte? Erfahrung oder Erneuerung? Beharrlichkeit oder Beweglichkeit? Schleppen oder Schleusen? Fluchthilfe oder Vorort-Fortschritt …?

Nichts davon oder alles? In diesem Sinne: Macht das Beste draus, auch im zweiten Corona-November.

Bildnachweise

Die Bilder in der vorliegenden Ausgabe entstammen der frisch eröffneten Ausstellung ›Arbeit & Migration‹ im Mannheimer Landesmuseum für Technik und Arbeit (TECHNOSEUM). Eine ausführliche Darstellung – mit entsprechender Besuchsempfehlung – findet sich in dieser Ausgabe auf Seite 20. Wir danken dem Museum und insbesondere die Kuratorinnen Anne Mahn und Bahdja Maria Fix, Pressesprecherin Marit Teerling, Fotograf Klaus Luginsland sowie den Kolleg:innen aus der IT-Abteilung, die sich um die Übermittlung gekümmert haben!