express 5/2025 erschienen!

express 5/2025 erschienen!

Inhalt

Gewerkschaften Inland

Redaktion express: »Viel Enthusiasmus und einige Leerstellen« – Streikkonferenz in Berlin   1

Heiner Dribbusch: »12 Jahre Streikkonferenz« – Ein kursorischer Rückblick   3

Sebastian Borkowski: »Angriff auf die Arbeitszeit« – Tarifabschluss im Kfz-Handwerk   4

Ulrich Maaz: »Eine gefühlte Niederlage« – TVöD-Ergebnis abschließend gebilligt 4

Betriebsspiegel

Gaston Kirsche: »Kein Lohn bei Krankheit« – Zara verweigert Lohnfortzahlung   6

Gaston Kirsche: »Dies nutzen einige Unternehmen dreist aus«– Ein Gespräch mit Daniel Weidmann 7

Arbeitsrechte in prekären Lebenslagen (5)

Nikolai Huke: »Solange keine Arbeitsbescheinigung vorliegt…« – Ein Gespräch mit Margarete Brugger   5

Politik und Debatte

»An die neue Bundesregierung« – Appell für eine verantwortungsvolle Migrationspolitik   8

Nadja Rakowitz: »Was glauben Sie denn, wer Sie sind?« – Zur Durchsetzung des KHVVG   14

Internationales

Lucas Rudolph: »Hoch die nationale Solidarität« – US-Gewerkschaften unterstützen Trumps Zollpolitik   10

Natascha Elena Uhlmann: »Unbeeindruckt von Zolldrohungen« – Mexikanische GM-Beschäftigte erringen Lohnerhöhung   11

Kıvanç Eliaçık: »Gegen Traumata und Union Busting« – Der Kampf der TikTok-Moderator:innen   12

Europa-Express (10)

Roland Erne: »Sind die Tragödien schon vergessen?« – Deregulierung der EU-Lieferkettenrichtlinie   13

Rezensionen

Torsten Bewernitz: »Unendliche Arbeitszeiten« – Sammelband zum nicht-existierenden Genre »Labour Fiction«   9

Klaus Blees: »Antisemitismus jeglicher Couleur« – Antisemitismus in der AfD   16

Editorial

Geneigte Leserinnen und Leser,

schön war’s in Berlin. Die express-Reisegruppe hat sich nach der Streikkonferenz der Rosa-Luxemburg-Stiftung wieder zerstreut, geblieben ist für uns die Erinnerung: Es kann so ange­nehm sein, Kolleg:innen zu treffen, wenn das dann nicht »Teambuildung« heißt und keine Managementmaßnahme ist. Für Euch geblieben ist unser Reisebericht (S. 1), in dem wir viel applaudieren und ein bisschen meckern – natürlich konstruktiv, das kennt Ihr ja von uns.

Mitgeschleppt in unser Frankfurter Büro haben wir neben offenen Fragen und anzugehenden Aufgaben – die wiegen bekanntlich am schwersten – die druckfrische Neuerscheinung in der »Ränkeschmiede«-Reihe mit dem Titel »Der Autoritarismus der Lohnabhängigen«. Wir emp­fehlen die Lektüre allen, die sich nicht mit den bequemsten Antworten auf die Frage zufrie­dengeben wollen, warum die extreme Rechte so gut ankommt bei der arbeitenden Klasse. Die Broschüre, für die wir einschlägige Texte aus dem express der letzten anderthalb Jahre zu­sammengestellt haben, kann bei uns für 5 Euro pro Stück, zuzüglich Versandkosten, bestellt werden.

Und noch eine Neuerscheinung: »What would Picard do? Star Trek als social fiction« heißt das neue Buch unseres Redakteurs Torsten Bewernitz. Obwohl er von Science Fiction gar kei­ne Ahnung hat, stellt er seine diesbezügliche Expertise in dieser Ausgabe unter Beweis (S. 9). Wer ein express-Abo abschließt, kann sich nun auch dieses Buch als Prämie aussuchen. Die Vorteile: Man muss kein Trekkie sein, damit es Spaß macht, es ist schmal genug, um noch ins Freibadgepäck zu passen – ja, lang ist es nicht mehr hin – und es sind Bilder drin. Wer noch kein Abo hat, schließe also bitte jetzt eins ab!

Auch recht neu, aber weniger erfreulich, sind die Tarifabschlüsse von ver.di und der IG Me­tall, die es erlauben, mehr zu arbeiten als zuvor (S. 4). Da hat uns die Diskussion über eine 4-Tage-Woche – manche erinnern sich vielleicht, so lange ist das gar nicht her – besser gefallen. Und das, obwohl wir selbstverständlich die 10-Stunden-Woche anpeilen. Denn wer zu viel arbeitet, wird schneller krank. Und wer krank ist, läuft Gefahr, auch dann noch vom Arbeitge­ber drangsaliert zu werden, zum Beispiel beim Modeunternehmen Zara (S. 6). Wird es ganz schlimm, muss man ins Krankenhaus, oder besser: in die fabrikartige Krankenabfertigung. Das wäre sehr misslich, zumal der Zwang zum Geldverdienen mit Kranken kaum weniger werden dürfte (S. 14). Dann doch lieber weniger arbeiten – bleibt auch mehr Zeit, den express zu lesen.

Wir wünschen anregende Lektüre!

Bildnachweis

Ein gesetzlicher Feiertag ist der 8. Mai zwar nur in Berlin – das sollte aber niemanden davon abhalten, den Sieg der Alliierten über Nazideutschland zu feiern. Bekanntlich sind Feier- und Gedenktage nicht nur Anlass, es sich gutgehen zu lassen, sondern auch, eben: zu gedenken. Unsere Bildstrecke erinnert deshalb an den Aufstieg des Nationalsozialismus, seine Kulturpo­litik und den Antisemitismus.

»Zwei weibliche Halbakte« heißt die Graphic Novel des französischen Künstlers Luz. Sie trägt denselben Namen wie ein Gemälde des Künstlers Otto Müller, der kein Expressionist sein wollte, sondern ein »freier Künstler«. Aus der Sicht des Bildes wird die Geschichte des Nationalsozialismus erzählt; als Leser:in erfährt man nur, was sich unmittelbar vor dem Ge­mälde abspielt.

Man wird Zeuge, wie der jüdische Kunstsammler Ismar Littmann die »Zwei weiblichen Halb­akte« kauft, wie ihm der Antisemitismus das Leben unmöglich macht und wie er sich letztlich das Leben nimmt. Die Gestapo beschlagnahmt das Gemälde und platziert es in der Propagan­daausstellung »Entartete Kunst«. Man hört die Reden der NS-Kulturfunktionäre. Man sieht, wie Müllers Bild über Umwege in einem Kölner Kunstmuseum landet und dass es bis 1999 dauert, bis es an Littmanns Tochter Ruth Haller zurückgegeben wird, die es wieder dem Mu­seum verkauft.

Wir bedanken uns herzlich beim Reprodukt-Verlag für die Überlassung der Illustrationen!

Luz: Zwei weibliche Halbakte, Reprodukt, Berlin, 192 Seiten, farbig, 20,5 x 25,5 cm, Hardcover, April 2025, 29 Euro, ISBN 978-3-95640-468-9

express 12/2024 erschienen!

express 12/2024 erschienen!

Inhalt

Gewerkschaften Inland

Jürgen Schardt: »Sozialpartnerschaft: zähneknirschend?« – zum Tarifabschluss in der Metall- und Elektroindustrie   6

Johannes Specht: »Kein Respekt, aber elf Prozent mehr Lohn« – Tarifrunde Gebäudereinigungshandwerk beendet   7

Nikolai Huke: »Verführung zum Rechtsbruch« − ein Gespräch mit Justyna Oblacewicz über Arbeitsrechte in prekären Lebenslagen   3

Betriebsspiegel

Stephan Krull: »Lohnverzicht sichert keine Arbeitsplätze!« – zur Klassenauseinandersetzung bei Volkswagen   1

»Hey, wir müssen was anderes bauen!« – Diskussion zum Film »Verkehrswendestadt Wolfsburg«   4

Lars Hirsekorn, Johanna Schellhagen und Tobi Rosswog: »Dem Winter widerstehen, den Frühling erringen« – Ex-GKN Florenz gründet Genossenschaft   6

Wolfgang Hien: »Chemische Industrie im deutschen Faschismus und I.G. Auschwitz« – eine Erinnerung, Teil I   13

Politik und Debatte

Torsten Bewernitz: »Das Sein bestimmt das Wahlverhalten?« – Anmerkungen zu »Klassenbewusstsein und Wahlentscheidung«   9

Nadja Rakowitz: »Das Gegenteil von gut« – zum Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz   10

Rudolf Walther: »Immer noch aktuell« – Tagung zu Oskar Negt am Institut für Sozialforschung   16

Bewegung mit Recht

René Kluge: »Die implodierte Ampel-Regierung« – Ein gefährliches Vakuum in der Beschäftigungspolitik  8

Kurzes

Leserbrief 12

Antipasti 5, 12

Dringliches 12

Editorial

Geneigte Leserinnen und Leser,

Science Fiction ist immer dann besonders interessant, wenn sie in sehr naher Zukunft spielt. Beispielsweise Matt Ruffs 1998 erschienene »Trilogie der Stadtwerke«, das im vergangenen Jahr 2023 spielt, in dem eine Künstliche »Intelligenz« (Problem: sie ist tatsächlich intelligent) aus dem Hause Disney und vor allem von Ayn Rand inspirierte Ultra-Kapitalisten eine we­sentliche Rolle spielen. Mit entsprechendem zeitlichen Abstand als Gegenwartsroman gele­sen, ergibt das einige Aha-Effekte und einige (manchmal zynische) Lacher bezüglich der nicht in Erfüllung gegangenen Vorhersagen. So ist in Matt Ruffs 2023 beispielsweise (Ach­tung Spoiler!) Donald Trump tot.

Ähnlich ging es auch dem Filmkollektiv labournet.tv, das 2022 in »Der laute Frühling« die soziale Revolution auf das laufende Jahr 2024 verlegte. Die dargestellte Vereinbarung mit russischen Arbeiterräten über die weitere Lieferung von Gas erschien schon wenige Wochen nach Erscheinen in einem anderen Licht. Eine Szene ist aber bei allem utopischen Charakter nicht so weit entfernt von den tatsächlichen aktuellen Ereignissen:

»Hi. Wir sind hier bei VW in Wolfsburg. Die Arbeiter:innen hier brauchen unseren Support. Sie haben gestern die Fabrik besetzt und sind seitdem hier vor Ort, um die Maschinen zu be­wachen. Jetzt kommt immer mehr Polizei und wir haben eben auf der Brücke sogar einen Panzer gesehen. Es ist essenziell wichtig, dass wir diese großen Fabriken nicht verlieren, denn hier kann praktisch alles produziert werden, von Beatmungsgeräten bis zu Solarzellen. Wir brauchen hier dringend viel mehr Unterstützung. Kommt zu Tor 5 […].«

Wenn es in naher Zukunft tatsächlich ähnlich klingen sollte, hätte das zwar einen anderen Hintergrund, aber ebenso viel mit der aktuellen Klimapolitik zu tun wie in dem zitierten Film. Das wird in Stephan Krulls Überblicksartikel zur Situation bei VW deutlich (S. 1). Ergänzt haben wir den Beitrag durch ein gekürztes Skript einer Diskussionsveranstaltung, die labour­net.tv zu dem neuen Film »Verkehrswendestadt Wolfsburg« am 5. November 2024 durchge­führt hat (S. 4).

Nachrichten von Stellenabbau und Protesten dagegen, vor allem in der Autoindustrie, haben sich in den vergangenen Wochen gehäuft. Das wird sicher nicht zur sozialen Revolution füh­ren und für einen heißen Herbst ist es ein wenig spät. Vielleicht aber lässt sich tatsächlich ein etwas lauterer Frühling als üblich einleiten. Immerhin könnten auch die TVöD-Runde Bund und Kommunen und der – egal in welcher Regierungskoalition – geplante Sozialabbau eine Rolle spielen. Anlässlich der zur Wahl stehenden Alternativen für Deutschland lässt dies zu­mindest  express-Redakteur Torsten Bewernitz jedoch recht wenig erwarten (S. 9).

Aber so oder so: Da kommen soziale Kämpfe auf uns zu. Also vorher noch mal im warmen Winterstübchen mit einer heißen Tasse Aufputschmittel vor den flackernden Weihnachtsker­zen den express durchstudieren – und dabei auch den beigelegten Spendenbrief bitte beachten. Wir wünschen einen geruhsamen Jahresausklang.

Bildnachweis

Für die Diskussion über den sog. Rechtsruck (der so ruckartig nicht ist), die Wählerbasis der AfD und rechte Orientierungen auch unter Lohnabhängigen und in Gewerkschaften kann die Beschäftigung mit dem Aufstieg der NSDAP und der Machtbasis bzw. Trägerschaft des Nationalsozialismus hilfreich sein – dazu haben wir in dieser Ausgabe zwei Beiträge: zur Rol­le des Mittelstands in ländlichen Kleinstädten und zur Rolle der Chemieindustrie. Beide trotz unterschiedlicher Motive Profiteure und Akteure der Abschaffung von Arbeits- und Sozial­rechten, der Vernutzung von bis hin zur Vernichtung durch Arbeit, die ihren systematischen Ausdruck im KZ Mauthausen mit seiner berüchtigten »Todesstiege« im Granitsteinbruch der »Deutschen Erd- und Steinwerke« fand. Die Einbettung des KZs in die lokale und nationale Ökonomie, ebenso wie den unverhohlenen Voyeurismus, den die örtliche Bevölkerung bei der Beschau der »schwerbelasteten, unverbesserlichen und auch gleichzeitig kriminell vorbestraf­ten und asozialen, das heißt kaum noch erziehbaren Schutzhäftlinge« (Heydrich) auf dem Weg zu ihren Arbeitsplätzen (u.a. bei Steyr-Daimler-Puch oder den Reichswerken Hermann Göring, heute Voest in Linz) an den Tag legte, schildert die Grafic Novel »Der Fotograf von Mauthausen«. Rund 120.000 der knapp 200.000 Inhaftierten kamen durch das Zwangsarbeits­programm in Mauthausen und seinen Außenlagern ums Leben. Dass es Überlebende gab und dass diese trotz aller Bemühungen der Nazis, Beweise zu vernichten, berichten konnten, ist einer Widerstandsgruppe zu verdanken, der auch der Spanier Francisco Boix angehörte. Unter schwierigsten Bedingungen gelang es ihnen, Negative von Fotos, die Boix im Auftrag des SS-Hauptscharführers Ricken anfertigte, aus dem Lager zu schmuggeln. Dessen Interesse an ei­ner Ästhetisierung des Todes wurde in den Händen der Widerständler so zu einer Flaschen­post, die zwar nicht von der KP, aber – viel später – u.a. in den Nürnberger Prozessen genutzt werden konnte. So viel zum Totalitarismus.

Herzlich bedanken möchten wir uns bei bahoe books für die Überlassung der Illustrationen, die hoffentlich dazu anregen, die ganze Geschichte zu lesen – samt 50 Seiten sehr informati­vem Anhang.

Salva Rubio (Szenario) / Pedro J. Colombo (Illustration) / Aintzane Landa (Colorierung): Der Fotograf von Mauthausen. bahoe books, Wien. ISBN: 978-3-903290-00-6, 144 Seiten, 29,80 Euro