express 11/2023 erschienen!

express 11/2023 erschienen!

Inhalt

Gewerkschaften Inland

Andreas Bachmann: »Retoure des Jahres« – Das Sozialpartnermodell auf dem Gewerkschaftstag der IG Metall 2023 2

AK Kongressbeobachtung: »Der Kongress tanzt – nicht« – Bericht vom IG Metall Gewerkschaftstag 4

Marvin Hopp: »Schmierentheater statt Tarifvertrag?« – Arbeitgeberblockade führt zu Studierendenstreik 13

Betriebsspiegel

Laura Six, Marvin Hopp: »Wilder Streik gegen Privatisierung« – Eindrücke aus dem Hamburger Hafen 1

Streiksolibündnis Leipzig: »Vereint über Grenzen« – Amazon Workers International on Tour 8

Gaston Kirsche: »Der Hafen ist kein Casino« – Hamburg: Ausverkauf des Hafenkerns 10

Jürgen Schardt: »Lehre unter Mindestlohn« – Zur Situation der Lehrbeauftragten an Hochschulen in Hessen 14

Thomas Gehrig: »Potemkin’sche Seminare (Teil I)« – Fragen eines arbeitenden Lehrbeauftragten 16

Bewegung mit Recht

René Kluge: »Vorschläge zur Reform des Betriebsverfassungsgesetzes« – Eine Ausschussanhörung im Bundestag, zwei progressive Forderungen, mehr als drei Einwände 6

Dokumentiert: »Mehr Demokratie hinter dem Werkstor« – Antrag der Bundestagsfraktion Die Linke 7

Andreas Bachmann: »Jenseits der Beschlusslage« – Zu den Überlegungen der Fraktion Die Linke zur Erweiterung der Kompetenzen der Betriebsversammlung 7

Politik und Debatte

Slave Cubela: »So nah und doch so fern…« – Für ein realistischeres Osteuropa-Bild     20

Europa Express

Roland Erne: »Europäische Chancen und Schweizer Hoffnungen« – Europäische Bürgerinitiativen und Lohnschutz 18

Internationales

Ewgeniy Kasakow: »Kein sicherer Hafen« – ITF in Russland unerwünscht 19

Dan DiMaggio: »Die Dominosteine fallen« – USA: Kniefall der »Big Three«  22

Rezension

Daniel Weidmann: »Das Wirtschaftliche ist politisch« – Über Th. Tschenker: »Politische Streiks« 23

Torsten Bewernitz: »Marxistisches Friedensangebot« – Über E.O. Wrights »Warum Klasse zählt« 24

Kurzwaren

Zuschriften 3

Antipasti 9, 15, 19, 21

Vermischtes 17

Editorial

Geneigte Leserinnen und Leser,

wir haben es schon öfter betont: eine Nur-fast-Monatszeitung wie der express kann nur be­grenzt aktuell sein. Manchmal aber fallen Ereignisse dann doch so, dass sie nah am Redakti­onsschluss liegen und beherzten Autor:innen dennoch genug Zeit geben, um zu berichten.

So im vorliegenden Fall bei dem wilden Streik der Hafenarbeiter:innen Hamburgs: Am Abend des 6. November 2023, zwei Tage vor Redaktionsschluss, legten die Kolleg:innen ihre Arbeit aus Protest gegen die Hamburger Privatisierungspolitik nieder. Am nächsten Nachmit­tag hatten wir bereits einen ausführlichen Hintergrundbericht von Gaston Kirsche vorliegen (S. 10). Laura Six und Marvin Hopp waren nicht ganz so schnell, denn was sie in ihrem aktu­ellen und damit ergänzenden Beitrag zu berichten haben, stammt direkt von der Streikfront und musste ja auch erst Mal verschriftlicht werden (S. 1).

Der Hamburger Hafenstreik ist ein Paradebeispiel dafür, dass sich politischer und wirtschaftli­cher Streik nicht so leicht trennen lassen, wie es die herrschende Rechtsauslegung in Deutsch­land nahelegt. Das sehen durchaus auch Jurist:innen so. Daniel Weidmann stellt die kürzlich erschienene Dissertation seiner Fachkollegin Theresa Tschenker vor, die entsprechende Be­denken anmeldet (S. 22).

Auch darüber hinaus sind wir am Nabel der Zeit: Nachdem wir in der letzten Ausgabe noch ganz erhitzt vom ver.di-Bundeskongress berichtet haben, folgt nun der nicht minder frische Bericht vom Gewerkschaftstag der IG Metall (S. 4). Während die Tarifbewegung im öffentli­chen Dienst der Länder und damit auch die TVStud-Bewegung an Fahrt aufnimmt (S. 13), waren die Amazon Workers International im Grenzgebiet zwischen bzw. in Polen und Deutschland unterwegs, das teilnehmende Streiksolibündnis Leipzig führte Tagebuch (S. 8). Und die traditionsreiche Internationale Transportarbeiterföderation (ITF) steht nunmehr auf der Liste der unerwünschten Organisationen des Putin-Regimes (S. 19) – womit wir in Osteu­ropa wären und damit bei der von Slave Cubela aufgeworfenen Frage, ob die linken Strömun­gen in Deutschland das dortige Geschehen überhaupt angemessen rahmen können (S. 20).

Auf der Linken Literaturmesse Nürnberg war die Redaktion des express auf dem Auftaktpodi­um vertreten. Und wie dort aus der Redaktion betont wurde, sollte man sich immer auch dort engagieren, wo man selber betroffen ist (wir nannten das mal Arbeitsfeldansatz, remember?). Es ist kein Geheimnis: Alle Sitzredakteur:innen (das sind die, die ›zwischen den Stühlen‹ im Frankfurter Büro, ihren Dienst- und Homeofficeplätzen sitzen) arbeiten an hessischen Hoch­schulen. Der Beitrag unseres Neuzugangs Jürgen Schardt zur Situation der Lehrbeauftragten (S. 14) liegt uns daher besonders am Herzen.

Solcherlei Aktualität sorgt natürlich dafür, dass die Heftorganisierung einer gewissen Sponta­neität weichen muss. Theoretischere oder hintergründigere Beiträge, die manchmal auch schon länger in den Dateiordnern ausgebrütet werden und darauf warten, in die Zeitung zu schlüpfen, mussten daher erneut verschoben werden – und das, obwohl wir spontan auf 24 Seiten erhöht haben.

Solche Extravaganzen können wir uns nur dank der außergewöhnlichen, aktiv gestalteten Treue von euch, geneigte Leserinnen und Leser, leisten. In diesem Sinne bitten wir um Beach­tung des auch in diesem beginnenden Winter beiliegenden Spendenaufrufs und wünschen eine aufmerksame Lektüre!

Bildnachweis

Schon wieder »wilder« Streik! Und erneut waren express-Autoren umtriebig und direkt vor Ort und haben nicht nur geschrieben (siehe S. 1 und ab S. 10), sondern haben uns gleich noch Hafenarbeiter:innen geschossen … also, Bilder natürlich.

Wir danken Reinhard Schwandt und Gaston Kirsche, die dem vorliegenden express der Titelstory angemessen die Bilder geliefert haben!

Die Antipasti 12/2020…

Die Antipasti 12/2020…

… gibt es wegen chronischer Überfüllung der gedruckten express-Seiten schon mal vorab online:

Urteil ohne Straftat I

Der ver.di-Landesbezirk Bayern wendet sich mit einem offenen Brief an den Landesinnenminister Joachim Herrmann, um die Ausweisung der Kollegin Banu Büyükavci zu verhindern. Die Ärztin ist eine der Angeklagten im Münchner TKP/ML-Verfahren und dort zu dreieinhalb Jahren Haft verurteilt worden; ein Revisionsverfahren konnte sie bislang nicht anstrengen, weil die schriftliche Urteilsbegründung noch aussteht. Wie in allen Verfahren nach Paragraf 129 des Strafgesetzbuches genügt die (Konstruktion einer) Zugehörigkeit zu einer bestimmten Vereinigung für eine Verurteilung, ohne dass eine konkrete Straftat nachgewiesen werden muss. Büyükavci wurde nach Paragraf 129c verurteilt für die Unterstützung einer terroristischen Organisation im Ausland. Verboten ist die türkische TKP/ML hierzulande allerdings nicht. Einzig die Türkei stuft sie als Terrororganisation ein. Durch lange Untersuchungshaft, zeitweise in Isolation, hat die Kollegin ihre Haftstrafe bereits verbüßt.

Urteil ohne Straftat II

In Hamburg hat mehr als drei Jahre nach dem Gipfel der Prozess zur G20-Demonstration im Rondenbarg, einer Straße in einem Industriegebiet begonnen. Die Staatsanwaltschaft strebt in dem Verfahren die Verurteilung der Angeklagten für ihre bloße Teilnahme an einem Demonstrationszug an, dessen Zweck es gewesen sei, Straftaten zu begehen. Der kleine Demozug war am Morgen des 7. Juli 2017 mit massiver Polizeigewalt gestoppt worden, es gab etliche Schwerverletzte. Die von der Polizei behaupteten Attacken durch Demonstrierende konnten auch durch ihr Videomaterial nicht belegt werden, darauf sind im wesentlichen Macker in Uniform zu sehen und zu hören. Sollte es zu den Verurteilungen kommen, wäre das ein übler Präzedenzfall im deutschen Demonstrationsrecht.

Siehe https://rondenbarg-prozess.rote-hilfe.de/

Blockaden wirken

Nach Blockadeaktionen von Landwirten hat der Discounter Lidl angekündigt, den Abnahmepreis für Schweinefleisch um 1 Euro/Kilo zu erhöhen und die Erhöhung an die Kundschaft weiterzugeben. Am 8. Dezember hatten Bauern an verschiedenen Standorten Lager von Aldi blockiert, stellvertretend für die Einzelhandelsriesen, die als Großabnehmer die Preise für landwirtschaftliche Produkte diktieren. Die Aktion steht im Zusammenhang mit einem Richtlinienvorhaben des Bundeslandwirtschaftsministeriums, das kleine Agrarbetriebe gegenüber den dominierenden Abnehmern stärken soll – laut Ministerium soll untersagt werden, dass der Käufer Bestellungen von verderblichen Lebensmitteln kurzfristig storniert, dass Händler einseitig die Lieferbedingungen, Qualitätsstandards, Zahlungsbedingungen usw. ändern, und dass die Bezahlung für gelieferte Lebensmittel lange hinausgezögert wird. Die Chefs der großen Handelsketten hatten sich in einem offenen Brief an die Kanzlerin gegen die angebliche Diffamierung durch Ministerin Klöckner gewandt und tiefe persönliche Betroffenheit über die mangelhafte Würdigung ihrer Leistungen ins Feld geführt. So haben sie den Zorn der Landwirte auf sich gezogen.

Süßes oder Saures

Am 6. November 2020 verkündete die Unternehmensleitung auf einer Mitarbeiterversammlung die Schließung des Haribo-Werkes in Wilkau-Haßlau in Sachsen. Die Entscheidung wurde den Beschäftigten in einer kurzfristig anberaumten und nur wenige Minuten dauernden Veranstaltung mitgeteilt. Mit dem Vorgehen hat Haribo auch gegen gesetzliche Bestimmungen des Betriebsverfassungsgesetzes verstoßen, es muss rechtzeitig informiert werden. Im Betrieb arbeiten 150 Beschäftigte. Ein erster Verhandlungstermin zwischen Unternehmensleitung und Betriebsrat blieb ohne Ergebnis. Das Werk ist der einzige Standort von Haribo im Osten der Republik, hier wurde bereits zu DDR-Zeiten für Haribo produziert. Gegen diesen Beschluss hat sich im Betrieb und in der Region schnell Widerstand formiert. Bei einer Online-Petition konnten über 14.000 Unterschriften gesammelt werden.

Am 21. November fand eine Kundgebung mit über 500 TeilnehmerInnen in Zwickau statt, bei der die örtlichen BürgermeisterInnen und Sachsens Wirtschafts- und Arbeitsminister Martin Dulig (SPD) sprach. Das langjährige Haribo-Werbegesicht Thomas Gottschalk kritisiert die Schließung: „Wenn man sich auf die Fahne geschrieben hat: ‚HARIBO macht Kinder froh, und Erwachsene ebenso‘ muss man das auch als Arbeitgeber ernst nehmen“.

Weitere Informationen: www.ngg.net/ost