express 4/2025 erschienen!

express 4/2025 erschienen!

Inhalt

Gewerkschaften Inland

Johannes Specht: »(Kaum) mehr als Mindestlohn« – Abschluss in der Systemgastronomie   3

Ulrich Maaz: »Ausgebremst« – zum TVöD-Verhandlungsergebnis   4

Charlotte Kögel: »Klassenkampf von oben« – strategische Fehler und Notwendigkeit weiterer Demokratisierung der Tarifpolitik   4

Alexander Maschke: »In ganz kleinen Schritten zur aktiven Basis« – IG Metall stärkt Selbsttätigkeit lokal  10

Uwe Zabel, Manuel Schmidt und Markus Philippi: »Ein langer Weg beginnt mit dem ersten Schritt« – Solidaritätsstreiks in der Arbeitskampfpraxis der IG Metall   15

Paulina Backs, Mathis Kock und Lea Dahms: »Auf ins Organizingsemester!« – Kampf für den TVStud geht in nächste Runde 18

Betriebsspiegel

Uwe Zabel, Salvatore Vicari, Frank Schilb, Eddi Glass: »Streik erweitert Kampfzone in der Krise« – das Beispiel Tadano-Demag   1

Geert Naber: »Fit for Growth« – Tarifabschluss, Stellenabbau und neues Geschäftsmodell bei DHL   6

Lucas Rudolph: »Wenn der Pizzalieferant nicht klingelt« – zum wilden Streik der Uber-Eats-Rider im Januar   7

»Betriebsräte zu Co-Managern?« – Erinnerungen von Wolfgang Schaumberg   8

Initiative Uni Göttingen Unbefristet: »Warum nicht ein Betreuungsstreik?«   19

Arbeitsrechte in prekären Lebenslagen (4)

Nikolai Huke: »Die Leute werden im Stich gelassen« – Gespräch mit Katarzyna Laszuk (Faire Mobilität Erfurt)   5

Politik und Debatte

»Eine ›sozialistische Partei für die arbeitende Klasse‹« – AG Wahlbeobachtung zu Herausforderungen der Linkspartei nach der Wahl   11

»Teilweise Ost-West-Unterschiede« – ein Nachtrag der AG Wahlbeobachtung zum Wahlverhalten der Gewerkschaftsmitglieder   12

AG Wahlbeobachtung: »Keynesianische Überraschungen und reaktionäre Gesellschaftspolitik« – zu den Koalitionsverhandlungen von Union und SPD   13

Birgit Daiber: »Viel Lärm um wenig« – Vom AVAVG über AFG, Hartz IV und Bürgergeld zurück zu Hartz IV   14

Internationales

Heiner Dribbusch: »Arbeitskämpfe im internationalen Vergleich« – ein Überblick über die Jahre 2014 - 2023   9

Susanne Uhl: »Gekippt noch vor Inkrafttreten?« – Retten wir das Lieferkettengesetz vor CDU und Europäischer Kommission   16

Rezensionen

Torsten Bewernitz: »Erinnerungspolitische Allianzen über identitäre Grenzen hinweg« − neuer Sammelband zum Streikjahr 1973   2

Renate Hürtgen: »Sozialismus – ein Projekt der Aufklärung?« – Neuerscheinung zum »ökologischen Sozialismus«   17

Nachruf

Zum Tod von Dieter Marcello   20

Editorial

Geneigte Leserinnen und Leser,

»Berlin, Berlin, wir fahren nach Berlin«. Dieser Spruch, den Ihr vielleicht von Fußballfans kennt, die dem Finale des DFB-Pokals im Berliner Olympiastadion entgegenfiebern, geht schon länger in der Redaktion des express um. Zwar gibt es redaktionsintern beträchtliche Unterschiede, was das Interesse am Ballsport angeht, aber gemeinsam freuen wir uns auf die sogenannte »Streikkonferenz« der Rosa-Luxemburg-Stiftung, die vom 2. bis 4. Mai an der TU Berlin stattfindet.

Diese Ausgabe erreicht nicht nur unsere Abonennt:innen, sondern auch jene, die auf der Streikkonferenz zugegen sind. Höchstoffiziell sind wir als Medienpartner eingeladen. Finden könnt Ihr uns in der Ausstellerfläche im Erdgeschoss des Mathematikgebäudes der TU. Die Architekturinteressierten in der Redaktion freut das besonders, denn die Architekt:innen Georg Kohlmaier, Barna von Sartory und Helma Karau wagten die seltene Verbindung von brutalistischen Elementen und einer Glasfassade. Die Innengestaltung des Mathematikgebäu­des passt auch ganz gut zu uns, es sieht dort nämlich ein bisschen so aus, als wäre noch 1962 und der express gerade frisch gegründet.

Inhaltlich steht die diesjährige Streikkonferenz unter dem Motto »Gegenmacht im Gegen­wind«. Es soll also um die Frage gehen, ob gewerkschaftliche Organisierung als Mittel gegen den gesellschaftlichen Rechtsruck dienen kann. Bemerkenswert erscheint uns jedenfalls, dass gewerkschaftlich organisierte Lohnabhängige teilweise häufiger rechts wählen als nicht orga­nisierte (S. 12) – insbesondere, weil DGB und Mitgliedsgewerkschaften angesichts solcher Ergebnisse auf Tauchstation gehen. Als Debattenbeitrag zur Streikkonferenz stellen wir daher gerade eine Broschüre zusammen, die Artikel aus dem express der letzten beiden Jahre zur autoritären Entwicklung enthält.

Auch sonst haben wir uns größte Mühe gegeben, diese Ausgabe auf den besonderen Anlass hin abzustimmen: Diskutiert werden unter anderem die Tarifergebnisse im öffentlichen Dienst (S. 4) und in der Systemgastro (S. 3), wir berichten über »Betreuungsstreiks« an Hochschulen (S. 19), die Folgen des ›wilden‹ Streiks bei Uber Eats (S. 7) und des gar nicht so wilden Tarif­vertrags für die Post (S. 6). Außerdem stellen wir den lokalen Versuch der IGM im Osten der Republik vor, ihre Mitglieder zu selbsttätigen Subjekten ihrer Geschichte zu machen (S. 10) – nicht zu vergessen die Berichte von Aktiven und Beteiligten über den Streik als Mittel gegen Betriebsschließung bei Tadano (S. 1) und die ersten ›(bezirks-)grenzüberschreitenden‹ So­listreiks in der zweitgrößten Gewerkschaft der Welt (S. 15). Dies auch, damit dem allgemei­nen Trend des abnehmenden Arbeitskampfvolumens entgegengewirkt werden kann (S. 9).

Um all das (und noch viel mehr An- und Aufregendes) unterzubringen, mussten wir den Sei­tenumfang wieder einmal erhöhen – unser Geschenk an Euch. Wir wünschen anregende Lektüre – bis bald in Berlin!

Bildnachweis

Unsere Bildstrecke führt diesmal in die Welt der Landwirtschaft. In einer Mischung aus Me­moiren, Reisebericht, Sachbuch und Essay erzählt Craig Thompson von Klassenunterschie­den, persönlichen Erfahrungen und dem starken Band zwischen ungleichen Geschwistern. Beleuchtet werden auch globale Themen wie Ackerbau, Kolonisierung, Massentierhaltung, Naturheilkunde – und nicht zuletzt »erschöpfende« Details zur Produktion der Ginsengwur­zel. Manche versprechen sich von deren Konsum ein langes Leben und ewige Schönheit, an­dere erleiden gesundheitliche Schäden bei ihrer Herstellung.

Wir bedanken uns herzlich beim Reprodukt-Verlag für die Überlassung der Illustrationen!

Craig Thompson: Ginsengwurzeln, Reprodukt: Berlin, 456 Seiten, Hardcover, 2024, ISBN: 978-3-95640-434-4, 39,00 Euro

express 12/2024 erschienen!

express 12/2024 erschienen!

Inhalt

Gewerkschaften Inland

Jürgen Schardt: »Sozialpartnerschaft: zähneknirschend?« – zum Tarifabschluss in der Metall- und Elektroindustrie   6

Johannes Specht: »Kein Respekt, aber elf Prozent mehr Lohn« – Tarifrunde Gebäudereinigungshandwerk beendet   7

Nikolai Huke: »Verführung zum Rechtsbruch« − ein Gespräch mit Justyna Oblacewicz über Arbeitsrechte in prekären Lebenslagen   3

Betriebsspiegel

Stephan Krull: »Lohnverzicht sichert keine Arbeitsplätze!« – zur Klassenauseinandersetzung bei Volkswagen   1

»Hey, wir müssen was anderes bauen!« – Diskussion zum Film »Verkehrswendestadt Wolfsburg«   4

Lars Hirsekorn, Johanna Schellhagen und Tobi Rosswog: »Dem Winter widerstehen, den Frühling erringen« – Ex-GKN Florenz gründet Genossenschaft   6

Wolfgang Hien: »Chemische Industrie im deutschen Faschismus und I.G. Auschwitz« – eine Erinnerung, Teil I   13

Politik und Debatte

Torsten Bewernitz: »Das Sein bestimmt das Wahlverhalten?« – Anmerkungen zu »Klassenbewusstsein und Wahlentscheidung«   9

Nadja Rakowitz: »Das Gegenteil von gut« – zum Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz   10

Rudolf Walther: »Immer noch aktuell« – Tagung zu Oskar Negt am Institut für Sozialforschung   16

Bewegung mit Recht

René Kluge: »Die implodierte Ampel-Regierung« – Ein gefährliches Vakuum in der Beschäftigungspolitik  8

Kurzes

Leserbrief 12

Antipasti 5, 12

Dringliches 12

Editorial

Geneigte Leserinnen und Leser,

Science Fiction ist immer dann besonders interessant, wenn sie in sehr naher Zukunft spielt. Beispielsweise Matt Ruffs 1998 erschienene »Trilogie der Stadtwerke«, das im vergangenen Jahr 2023 spielt, in dem eine Künstliche »Intelligenz« (Problem: sie ist tatsächlich intelligent) aus dem Hause Disney und vor allem von Ayn Rand inspirierte Ultra-Kapitalisten eine we­sentliche Rolle spielen. Mit entsprechendem zeitlichen Abstand als Gegenwartsroman gele­sen, ergibt das einige Aha-Effekte und einige (manchmal zynische) Lacher bezüglich der nicht in Erfüllung gegangenen Vorhersagen. So ist in Matt Ruffs 2023 beispielsweise (Ach­tung Spoiler!) Donald Trump tot.

Ähnlich ging es auch dem Filmkollektiv labournet.tv, das 2022 in »Der laute Frühling« die soziale Revolution auf das laufende Jahr 2024 verlegte. Die dargestellte Vereinbarung mit russischen Arbeiterräten über die weitere Lieferung von Gas erschien schon wenige Wochen nach Erscheinen in einem anderen Licht. Eine Szene ist aber bei allem utopischen Charakter nicht so weit entfernt von den tatsächlichen aktuellen Ereignissen:

»Hi. Wir sind hier bei VW in Wolfsburg. Die Arbeiter:innen hier brauchen unseren Support. Sie haben gestern die Fabrik besetzt und sind seitdem hier vor Ort, um die Maschinen zu be­wachen. Jetzt kommt immer mehr Polizei und wir haben eben auf der Brücke sogar einen Panzer gesehen. Es ist essenziell wichtig, dass wir diese großen Fabriken nicht verlieren, denn hier kann praktisch alles produziert werden, von Beatmungsgeräten bis zu Solarzellen. Wir brauchen hier dringend viel mehr Unterstützung. Kommt zu Tor 5 […].«

Wenn es in naher Zukunft tatsächlich ähnlich klingen sollte, hätte das zwar einen anderen Hintergrund, aber ebenso viel mit der aktuellen Klimapolitik zu tun wie in dem zitierten Film. Das wird in Stephan Krulls Überblicksartikel zur Situation bei VW deutlich (S. 1). Ergänzt haben wir den Beitrag durch ein gekürztes Skript einer Diskussionsveranstaltung, die labour­net.tv zu dem neuen Film »Verkehrswendestadt Wolfsburg« am 5. November 2024 durchge­führt hat (S. 4).

Nachrichten von Stellenabbau und Protesten dagegen, vor allem in der Autoindustrie, haben sich in den vergangenen Wochen gehäuft. Das wird sicher nicht zur sozialen Revolution füh­ren und für einen heißen Herbst ist es ein wenig spät. Vielleicht aber lässt sich tatsächlich ein etwas lauterer Frühling als üblich einleiten. Immerhin könnten auch die TVöD-Runde Bund und Kommunen und der – egal in welcher Regierungskoalition – geplante Sozialabbau eine Rolle spielen. Anlässlich der zur Wahl stehenden Alternativen für Deutschland lässt dies zu­mindest  express-Redakteur Torsten Bewernitz jedoch recht wenig erwarten (S. 9).

Aber so oder so: Da kommen soziale Kämpfe auf uns zu. Also vorher noch mal im warmen Winterstübchen mit einer heißen Tasse Aufputschmittel vor den flackernden Weihnachtsker­zen den express durchstudieren – und dabei auch den beigelegten Spendenbrief bitte beachten. Wir wünschen einen geruhsamen Jahresausklang.

Bildnachweis

Für die Diskussion über den sog. Rechtsruck (der so ruckartig nicht ist), die Wählerbasis der AfD und rechte Orientierungen auch unter Lohnabhängigen und in Gewerkschaften kann die Beschäftigung mit dem Aufstieg der NSDAP und der Machtbasis bzw. Trägerschaft des Nationalsozialismus hilfreich sein – dazu haben wir in dieser Ausgabe zwei Beiträge: zur Rol­le des Mittelstands in ländlichen Kleinstädten und zur Rolle der Chemieindustrie. Beide trotz unterschiedlicher Motive Profiteure und Akteure der Abschaffung von Arbeits- und Sozial­rechten, der Vernutzung von bis hin zur Vernichtung durch Arbeit, die ihren systematischen Ausdruck im KZ Mauthausen mit seiner berüchtigten »Todesstiege« im Granitsteinbruch der »Deutschen Erd- und Steinwerke« fand. Die Einbettung des KZs in die lokale und nationale Ökonomie, ebenso wie den unverhohlenen Voyeurismus, den die örtliche Bevölkerung bei der Beschau der »schwerbelasteten, unverbesserlichen und auch gleichzeitig kriminell vorbestraf­ten und asozialen, das heißt kaum noch erziehbaren Schutzhäftlinge« (Heydrich) auf dem Weg zu ihren Arbeitsplätzen (u.a. bei Steyr-Daimler-Puch oder den Reichswerken Hermann Göring, heute Voest in Linz) an den Tag legte, schildert die Grafic Novel »Der Fotograf von Mauthausen«. Rund 120.000 der knapp 200.000 Inhaftierten kamen durch das Zwangsarbeits­programm in Mauthausen und seinen Außenlagern ums Leben. Dass es Überlebende gab und dass diese trotz aller Bemühungen der Nazis, Beweise zu vernichten, berichten konnten, ist einer Widerstandsgruppe zu verdanken, der auch der Spanier Francisco Boix angehörte. Unter schwierigsten Bedingungen gelang es ihnen, Negative von Fotos, die Boix im Auftrag des SS-Hauptscharführers Ricken anfertigte, aus dem Lager zu schmuggeln. Dessen Interesse an ei­ner Ästhetisierung des Todes wurde in den Händen der Widerständler so zu einer Flaschen­post, die zwar nicht von der KP, aber – viel später – u.a. in den Nürnberger Prozessen genutzt werden konnte. So viel zum Totalitarismus.

Herzlich bedanken möchten wir uns bei bahoe books für die Überlassung der Illustrationen, die hoffentlich dazu anregen, die ganze Geschichte zu lesen – samt 50 Seiten sehr informati­vem Anhang.

Salva Rubio (Szenario) / Pedro J. Colombo (Illustration) / Aintzane Landa (Colorierung): Der Fotograf von Mauthausen. bahoe books, Wien. ISBN: 978-3-903290-00-6, 144 Seiten, 29,80 Euro