express 1/2025 erschienen!
Inhalt
Gewerkschaften Inland
Thorsten Donnermeier, Lars Hirsekorn, Tobi Rosswog: »Weihnachts- oder blaues Wunder?« – Einschätzung und Schlussfolgerung zum VW-Tarifergebnis 3
Klaus Lang: »Gute Zeichen, schlechte Zeichen« – Das Tarifergebnis bei VW, der Wahlkampf und die Parteiprogramme 4
Betriebsspiegel
Gaston Kirsche: »Bausatz für Kündigungen« – Union Busting im bayrischen Einzelhandel 5
Lea Dahms: »Lohn geklaut, Vertrauen gebrochen, jetzt reicht’s!« – Studentische Beschäftigte fordern Tarifbindung 8
Wolfgang Hien: »Chemische Industrie im deutschen Faschismus und I.G. Auschwitz« – eine Erinnerung, Teil II 13
Politik und Debatte
AG Wahlbeobachtung: »Gefahr aus der Mitte« – Ein Ausblick auf die Bundestagswahl am 23. Februar 1
Joke Frerichs: »Gegen die ›Halbierung‹ der Demokratie« – Zu einem Missverhältnis 2
Renate Hürtgen: »Warum wählen welche Arbeiter:innen eine rechtsextreme Perspektive?« – Vor den ›Gegenstrategien‹ kommt die Analyse 6
Initiative demokratische Arbeitszeitrechnung (IDA): »Zeit ist Geld?« − Leichte Lösungen für schwere Probleme 12
Slave Cubela: » Wir müssen über die Katastrophe reden!« − Eine Überlegung zum globalisierten Rechtsautoritarismus 15
Arbeitsrechte in prekären Lebenslagen
Internationales
Forum Arbeitswelten: »Ausgesteuert« – Robocar-Unternehmen Jiyue stellt Produktion ein, tausende Beschäftigte kämpfen erfolgreich um ihre Rechte 8
Simone Knapp: »Es ist nicht alles Gold…« – Überlebenskünstler und Tote in Südafrikas Minen 10
Nachruf
Günter Pabst und Manfred Wittmeier erinnern an Egon Becker 16
Editorial
Geneigte Leserinnen und Leser,
unser guter Vorsatz für das Jahr 2025: nicht schon wieder im ersten Editorial des Jahres das »frohe neue Jahr« in Frage stellen und betonen, dass alles immer schlimmer wird.
Gar nicht so leicht. Suchen wir das Positive: Es gibt (Stand 18. Januar, 1 Uhr) einen Waffenstillstandsabkommen zwischen Hamas und israelischer Regierung, 15.000 Menschen haben in Riesa gegen die AfD demonstriert, 50.000 in Wien gegen die FPÖ.
So weit, so na ja. Denn: Der Waffenstillstand ist fragil angesichts dessen, dass sie sich »geschworen haben, sich gegenseitig zu vernichten« (ZDF). Und Hintergrund des Waffenstillstands ist wohl nichts anderes als das Säbelrasseln des zukünftigen Führers der USA, Donald Trump. Hintergrund der Wiener Demonstration ist die faschistische Regierungsbildung unter FPÖ und Kickl. Hintergrund von 15.000 antifaschistischen Demonstrierenden in Riesa ist das Hoch der AfD: Am Wochenende des Parteitags lag sie in den Umfragewerten mit 22 Prozent Stimmanteil so hoch wie noch nie. Und die erste Kanzlerkandidatin der AfD ever, Alice Weidel, stimmt, gepusht von der Erfolgen Trumps und Kickls, martialische Töne an, um Höcke von rechts zu umarmen: überholen, ohne einzuholen? Sarah Wagenknecht imitiert das auf dem Parteitag ihrer Fan-Partei.
Wen wundert’s, dass diese Entwicklungen auch weiterhin unsere Inhalte prägen? Den Wahlkampf analysiert unsere routinierte AG Wahlbeobachtung (S. 1). Renate Hürtgen stellt die Frage nach der Klassenzusammensetzung der extrem rechts Wählenden und dem dabei unterlegten Klassenverständnis (S. 6), und Joke Frerichs plädiert ganz im Sinne der express-Tradition für mehr Demokratie in den Betrieben, um diese Entwicklung zu bremsen (S. 2). Nicht nur historisch interessiert uns deshalb der Faschismus weiterhin: Wolfgang Hien legt den zweiten Teil seines Beitrags zur Geschichte der I.G. Farben und der Nutznießerschaft zwischen Industrie und NS vor (S. 13).
Wir wissen ja, dass, wer vom Faschismus reden möchte, vom Kapitalismus nicht schweigen darf. Das naheliegende Beispiel Musk/Tesla muss noch ein wenig warten, bei uns geht es erstmal um den globalen Konzern Volkswagen und dessen nationale Krisenlösungsstrategien. IG Metall und Konzern haben sich bekanntlich auf ein Vorgehen geeinigt – das Ergebnis wird kontrovers diskutiert: Wir dokumentieren die Bewertung von Klaus Lang aus gewerkschaftlicher Warte (S. 4) und von Thorsten Donnermeier, Lars Hirsekorn und Tobi Rosswog aus innerbetrieblicher bzw. betriebsnaher Sicht (S. 3).
Der »laute Frühling« fällt also bei Volkswagen wohl aus, aber es stehen noch die Tarifrunden bei der Post und im öffentlichen Dienst vor uns (dazu mehr im Februar) – und die Frage nach einer Alternative zu den Ruinen der Kapitalphantasien »Detroit und DDR« (Hirsekorn et al.) bleibt so wichtig wie dringend.
Ein letztes internes Wort aus der Redaktion: So langsam machen sich die wirtschaftlichen Verhältnisse auch bei unseren Leser:innen bemerkbar, Kündigungen aufgrund der finanziellen Verhältnisse nehmen zu. Dazu haben sich 2024 unsere Mietkosten erhöht und absehbar werden sich 2025 unsere Lohnkosten erhöhen (was ja irgendwie auch richtig ist so). Wir bleiben Dank neuer Leser:innen bislang stabil, aber das Wachstum stagniert. Im Jahr 2024 hat sich das durch Spenden kompensiert: Mit einer Gesamtsumme von 24.648 Euro Spenden im Jahr 2024 habt ihr uns rund 5.000 Euro mehr gespendet als im Vorjahr!
Dafür herzlichen Dank! Und mit diesem herzlichen Dankeschön wünschen wir zugleich auch eine anregende Lektüre – aber nicht zu weit zurücklehnen!
Bildnachweis
Erst sollten hier die Zeichnungen aus »Meute«, einer anspielungs- und assoziationsreichen wunderbaren Werwolfgeschichte von Noëlle Kröger stehen. Dann kam alles anders. So sind wir statt in den Laborsälen eines französischen »Instituts für zeitgenössische Wissenschaften«, in denen eine Nachwuchs-Naturwissenschaftlerin für die Beforschung und Pflege des anziehend-abstoßenden Monsters zuständig ist, dann doch in den USA gelandet. Geblieben ist: die Auseinandersetzung mit der Frage, was die »Selbstidentifizierung von Minderheiten mit dem Monströsen« (Kröger) ebenso wie dessen Marginalisierung antreibt. Was führt zur Konstruktion von »Wir« und »den Anderen«?
Das konnte und kann man im gesellschaftsexperimentellen Großlabor USA studieren. Erst wollte der Liebste, der grundsätzlich nicht in Länder mit Diktatur (auch keine präsidialen), bewaffneten Vorgartenverteidigern und privaten E-Panzern aus der Tesla-Schmiede reist, gar nicht hin. Dann wurde er mit Verweis auf die Novemberwahlen genötigt mitzukommen, solange es noch geht. Kurz sah es mit Kamala so aus, als ob es so weit dann doch nicht käme, und dann kam doch alles so wie befürchtet. Bilder einer Reise zu den Meistern des Monströsen im alltäglichen Vorwahlkampf. Einfach MAGA!