Der express 11/2021 ist erschienen!

Der express 11/2021 ist erschienen!

Druckausgabe express 11/2021

Inhalt:

Gewerkschaften Inland

Ulrich Maaz: »Gestaltungsstarke Gewerkschaft in der Transformation?« – Anmerkungen zum Gewerkschaftskongress der IG BCE 4

»Das zarte Pflänzchen ökologischer Klassenpolitik« – Interview mit zwei Aktiven der Kampagne TV N 6

»Eine Wette auf die Zukunft« – Interview mit Massimo Perinelli zur Geschichte der deutschen Einwanderungsgesellschaft und migrantischer Arbeitskämpfe 11

Betriebsspiegel

Clemens Melzer: »Digitales Organizing im Familienbetrieb« – WIKUS-Arbeiter:innen fordern eine Kleinstadt-Dynastie heraus und feiern Betriebsratserfolg 1

Heiner Dribbusch: »Der ausbleibende Aufstand« – Analysen zur die Streikbereitschaft bei Amazon 10

Politik & Debatte

Thomas Handrich: »Die Mauer muss weg!« – Augenzeugenbericht aus dem Grenzgebiet Polen-Belarus 2

Torsten Bewernitz: »Das Museum als demokratische Intervention« – Die Landesausstellung ›Arbeit & Migration‹ im Mannheimer TECHNOSEUM 20

Bewegung mit Recht

René Kluge: »Wenn das nicht politisch ist…« – Aufgaben und Handlungsspielräume von Wahlvorständen bei der Betriebsratswahl 5

Internationales

Sergio Bologna: »Die Besonderheit der heutigen Krise« – Über den aktuellen Zustand der Logistikbranche 8

Mohammad Ali Kadivar, Peyman Jafari, Mehdi Hoseini und Saber Khani: »Ein kommender Aufstand?« – Zur gewerkschaftlichen Organisierung iranischer Ölarbeiter 14

Doug Henwood: »Der große Streik 2021?« – Hintergründe der Arbeitsverweigerung in den USA 16

Rezensionen

Klaus Dallmer: »Zieh schneller, Uncle Sam« – Amerikanische Kriegspropaganda als Roman 17

Peter Nowak: »Widerständigkeiten im Neoliberalismus« – Auf der Spur rekomponierter ›Arbeiter-Literatur‹ 18

Eva-Maria Bruchhaus: »Erinnern, erfahren, ernst nehmen« – Zur ›Kollektiven Erinnerungsarbeit‹ 18

Nachruf

Anton Kobel: »Ein großer Verlust« – Nachruf auf Achim Neumann 19

Kurzgefasst

Antipasti 17

Vermischte 19

Editorial

Geneigte Leserinnen und Leser,

langsam geht das Jahr zu Ende. Es ist Herbst und Corona. Das muss nicht zwangsläufig zu Depression oder nach außen gekehrtem Irrsinn führen. Ein pandemischer November führt offenbar auch dazu, dass unsere aktiven Leser:innen, ergo Autor:innen, deutlich mehr lesen und damit auch deutlich mehr rezensieren – und davon haben auch sog. Passiv-Leser:innen etwas. Es gibt Schlimmeres …

Die Jahresendzeittemperaturen motivieren daneben aber offenbar auch zum Museumsbesuch: Torsten Bewernitz hat mal eines der wenigen Privilegien als Zeitungsredakteur in Anspruch ge- und an der Pressekonferenz zur Eröffnung der Mannheimer Ausstellung »Arbeit & Migration« teilgenommen (S. 20) – aus Letzterer stammt auch unsere Bildstrecke in diesem Monat. Im Dezember legen wir dann mit einem Beitrag von Gaston Kirsche nach, der sich im Hamburger Museum der Arbeit »Konflikte« angeschaut hat – ob und wie man diese ›sehen‹ kann, ist in vielerlei Hinsicht umstritten. Doch seht, lest und vergleicht selbst, wenn das gute Stück unter’m brennenden Baum liegen wird.

Wir erwarten allerdings nicht, dass es angesichts der gut gekühlten Witterung zu Anfällen vorweihnachtlicher Besinnlich- und Barmherzigkeit und einem politischen Wärmestrom kommen wird. Einer der wichtigsten Beiträge der aktuellen Ausgabe ist Thomas Handrichs Augenzeugenbericht von der polnisch-belarussischen Grenze (S. 2f.). Selbst wenn mittlerweile mehr über diese ›Games with Frontiers‹ berichtet wird: Die Forderungen bleiben, die Mauern müssen weg – auch in den Köpfen der Ampelist@s, die sich mit den Innen-Seehofers und Außen-Maas dieses Landes einig sind: Das Wichtigste ist die Befestigung der Außengrenzen – den einen der Christbaum, den anderen der Eiswald.

Und wo wir schon bei Kälte sind, darf der Jahrestag der Selbstenttarnung des NSU und eine Reflektion zu 60 Jahren deutsch-türkischem Anwerbeabkommen nicht fehlen – dazu ein ausführliches Gespräch von Karin Zennig mit Massimo Perinelli (S. 11). Lang, aber nicht langweilig ist auch das Interview mit Autor:innen des Kollektivs climate.labour.turn zur Zusammenarbeit von Klimabewegung und Gewerkschaften im Öffentlichen Personennahverkehr (S. 6) – Bewegungswärme für Klimaveränderung mit Richtungsänderung – oder die vielen kleinen und größeren Aufstände gegen frustrierend froststarrende Verhältnisse (S. 1, 14, 16, 17).

Achtung, kleiner Sprung: Was fehlt in dieser Ausgabe? »Wir sind immer mehr Frauen«, wie ein verehrter Autokoordinationskollege mal formuliert hat. Und hier der unelegante Übergang: Auch wenn wir unsere geneigten Leser:innen durchaus für jünger, weiblicher und queerer halten als die manch anderer Zeitung, hinter der kluge Köpfe stecken: Alt werden wir als Zeitung trotzdem. Kommendes Jahr sogar 60 Jahre alt. In Worten: SECHZIG Jahre Kritik, Widerspenstigkeit und frische Luft im Kopf. Wir wollen (uns und andere) zu diesem Anlass fragen:

Haben wir nicht immer schon Organizing gemacht? War nicht der Arbeitsfeldansatz des Sozialistischen Büros und der Erfahrungsansatz schon ein Organizing-Ansatz? Und, gemeinsam übrigens, was uns besonders freut, mit unseren Schwesterredaktionen der Widersprüche und des links-netz fragen wir uns im kommenden 60. Jahr, wie sich gewerkschaftliches Organizing, (transformatives) Community Organizing und Gemeinwesenarbeit befruchten oder befehden und wie sie sich von den wohldosierten Partizipationsprisen in gewerkschaftlichen und gesellschaftlichen Mobilisierungsmechaniken unterscheiden.

Solltet ihr unsere Eindrücke schnell noch korrigieren wollen, dann schreibt uns: Was erwartet ihr von einer 60-jährigen Schildkröte? Erfahrung oder Erneuerung? Beharrlichkeit oder Beweglichkeit? Schleppen oder Schleusen? Fluchthilfe oder Vorort-Fortschritt …?

Nichts davon oder alles? In diesem Sinne: Macht das Beste draus, auch im zweiten Corona-November.

Bildnachweise

Die Bilder in der vorliegenden Ausgabe entstammen der frisch eröffneten Ausstellung ›Arbeit & Migration‹ im Mannheimer Landesmuseum für Technik und Arbeit (TECHNOSEUM). Eine ausführliche Darstellung – mit entsprechender Besuchsempfehlung – findet sich in dieser Ausgabe auf Seite 20. Wir danken dem Museum und insbesondere die Kuratorinnen Anne Mahn und Bahdja Maria Fix, Pressesprecherin Marit Teerling, Fotograf Klaus Luginsland sowie den Kolleg:innen aus der IT-Abteilung, die sich um die Übermittlung gekümmert haben!

Der express 10/2021 ist erschienen!

Der express 10/2021 ist erschienen!

Gesamtausgabe zum Download

Inhalt:

Gewerkschaften Inland

Marvin Hopp: »Zum Auftakt eine Besetzung« – Tarifrunde der Länder 3

Szabolcs Sepsi, Anna Szot: »Das Arbeitschutzkontrollgesetz in der Praxis« – Eine erste Bilanz 6

Anton Kobel: »Vorteil Kapital« – Tarifverhandlungen im Handel 11

Betriebsspiegel

Stefan Schoppengerd: »Durchhalteermöglichungssolidarität« – Aktueller Stand der Krankenhausbewegung 2

Tobias Salin: »Betriebsbegehung« – Beteiligung statt Freistellung 5

ALSO: »Die Lage der überausgebeuteten Klasse« – Zur Situation in der Fleischindustrie 8

Torsten Bewernitz: »Diverse Streiks« – Auseinandersetzungen bei Gorillas 10

»Auf den letzten Metern« – Karin Zennig im Gespräch mit Tina Morgenroth über Amazon 12

Politik & Debatte

AG Wahlbeobachtung: »Ein politischer Klimawandel?« – Zur Bundestagswahl 14

AG Wahlbeobachtung: »Wahlverhalten der Gewerkschaftsmitglieder« 16

AG Wahlbeobachtung: »Wo und wie sonst noch gewählt wurde« – Berlin und Mecklenburg-Vorpommern 17

AG Wahlbeobachtung: »Der Lichtblick« – Volksentscheid Vergesellschaftung in Berlin 17

»… da habe ich gesagt, da müssen wir hin!« – Gespräch mit Edith Marcello 18

»Remaking Class and Gender« – Vier Fragen an Gaby Babić 19

Karin Zennig: »Kein Friede, nirgends« – Aktionstag gegen Waffenhandel

Bewegung mit Recht

René Kluge: »Money for nothing?« – Betriebsratsgehälter: Zu hoch oder zu niedrig? 4

Internationales

Isabella Consolati: »Coronaproteste und falsche Freunde« – Rechtsextremer Angriff auf CGIL 1

Rezensionen

Heiner Dribbusch: »Von gesellschaftlich notwendiger Arbeit« – Berichte aus der Klassengesellschaft 13

Editorial

Geneigte Leserinnen und Leser,

ein bisschen Enthusiasmus, bitte: Am 13. Oktober 2021 ist Captain Kirk ins Weltall geflogen. Wirklich und in echt!

Und nun ist auch gut mit Enthusiasmus, werden wir mal wieder historisch-materialistisch: Erstens war es ja gar nicht Captain Kirk, der ins All geflogen ist, sondern der 90-jährige Schauspieler William Shatner, zweitens hieß das Raumschiff nicht Enterprise, sondern New Shepard, drittens dauerte die Mission nicht fünf Jahre, sondern lediglich zehn Minuten, und viertens flog das Raumschiff nicht im Auftrag einer quasisozialistischen Planetenföderation, sondern im Auftrag des kommerziellen Unternehmens Blue Origin, das einem gewissen Jeff Bezos gehört. Zwanzig ehemalige und auch aktuelle Mitarbeiter:innen dieser Firma hatten erst kurz zuvor davor gewarnt, mit Blue Origin zu fliegen.

Grund für diese Warnung waren eklatante Sicherheitsmängel. Die Kritik der ehemaligen Bezos-Intimen geht aber weit darüber hinaus: Die Atmosphäre sei toxisch, sexistisch, dazu auch noch ökologisch bedenklich. Burnout sei Teil der Arbeitsstrategie, Kritik bei Betriebsversammlungen müsse man persönlich vor Vorgesetzten rechtfertigen. Das Entscheidende: Bei Blue Origin werde ein Arbeitsklima kultiviert, das „das Schlechteste in unserer heutigen Welt zum Vorschein bringt“.

Was für Blue Origin gilt, gilt natürlich auch für amazon. Karin Zennig spricht in der vorliegenden Ausgabe mit Tina Morgenroth, Co-Autorin der Studie „amazons letzte Meile“ (S. 12), auch das in Bälde bei uns rezensierte Buch „Das Prinzip amazon“ von Sabrina Apicella legt den Finger in die gleiche Wunde.

Captain Kirk – Verzeihung – William Shatner übrigens beschreibt seine Weltall-Erfahrung so: „Was ich wirklich jedem sagen will, ist, wie gefährdet und zerbrechlich alles ist“ (Spiegel, 14. Oktober 2021). Gefährdet? Zerbrechlich? Die Soziologie spricht bei sowas von „Prekarität“. Gefährdet und zerbrechlich sind nicht nur die Mitarbeiter:innen von Blue Origin und amazon, sondern auch die Pflegenden in den Krankenhäusern (S. 3), die Riders von Gorillas (S. 10), die Einzelhandelsbeschäftigten (S. 11), die studentischen Hilfskräfte (S. 2)… Aber sie alle wissen sich zu wehren, ob mit oder ohne Betriebsrat.

Prekär bleibt auch die Existenz des express in seinem 59. Jahr. Aber auch wir wissen uns zu helfen: U.a. mit dem Spendenaufruf, der der aktuellen Ausgabe beiliegt. Und ob wir auch wandern in finsterem Tal, ganz hoffnungslos ist die Situation nicht – Eure Unterstützung, geneigte Leserinnen und Leser, ist schon jetzt erfreulich. In diesem Sinne verabschieden wir uns mal wieder bis Ende November mit einem herbstlichen: Frieden und ein langes Leben! Ps.: Nicht vergessen: Entwaffnet Heckler&Koch, Rheinmetall und all die anderen! (S. 20)

Bildnachweise

a common visual language

A common visual Language ist 2012/13 als Abschlussarbeit des Bachelor-Studiums visuelle Kommunikation an der Kunsthochschule Berlin-Weißensee entstanden. Massenproteste und Besetzungen von öffentlichen Räumen überall auf der Welt hatten in dieser Zeit Hochkonjunktur. Ausgehend von Tunesien schwappte eine Protestwelle durch den Maghreb; ein paar Monate später füllten sich die Puerta del Sol in Madrid und der Syntagma-Platz in Athen mit Menschen und Tränengas. Die Occupy-Bewegungen in den Vereinigten Staaten hatten eine hohe Strahlkraft in viele Teile der Welt: Zypern, Portugal, Bulgarien, die Türkei, Brasilien. Die Proteste und Bewegungen beziehen sich solidarisch aufeinander, tauschen digitale Nachrichten aus und stellen grundlegende Fragen der gesellschaftlichen Organisation neu: Was ist die Verbform der Demokratie? Wie kann ein Arbeitsloser streiken? Was ist der Unterschied zwischen Gerechtigkeit und Gleichheit? Wie funktioniert die Vergemeinschaftung? Warum gehen wir davon aus, dass Identität ein singuläres Thema ist? Das Wörterbuch einer gemeinsamen visuellen Sprache ist ein Ausgangspunkt, von dem aus Fragen der Protestbewegungen auf der Grundlage bestehender Bilder und subjektiver Bewertungen visualisiert werden.

Als Teil der Mobilisierung zu Blockupy Frankfurt 2012 stand Lena Ziyal in engem Austausch mit Aktivist:innen der Krisenproteste in verschiedenen süd- und osteuropäischen Ländern. Während einer Vielzahl von Konferenzen, Austauschtreffen und virtuellen Zusammenkünften ist der Wunsch nach einer gemeinsamen Sprache wiederholt aufgetaucht. Lena Ziyal hat im Kontext der gemeinsamen politischen Arbeit insgesamt 50 Begriffe herausgefiltert, die konstitutiv für die Debatten der damaligen Bewegungen waren. Zu jedem dieser Begriffe hat sie Symbole erschaffen, die nicht nur vorhandene Diskussionen abbilden, sondern zugleich einen Beitrag darstellen. Die Weiterentwicklung und kritische Fragestellungen standen für sie im Zentrum ihrer Arbeit.

Lena Ziyal ist Illustratorin und Grafikdesignerin. Als Teil der kollektiv geführten Agentur für Content- und Grafikdesign Infotext beschäftigt sie sich mit der visuellen Interpretation komplexer Inhalte. Bevor sie sich Infotext anschloss, arbeitete sie als freie Grafikdesignerin und visuelle Künstlerin in Berlin und Istanbul. Sie absolvierte den Studiengang visuelle Kommunikation an der Kunsthochschule Berlin-Weißensee und studierte darüber hinaus an der Universität der Künste (Kunst im Kontext, Berlin) und an der Marmara Universität (grafische Künste, Istanbul). Im Studio Mustafa Yildirim (Istanbul) und im Atelier Saeed Ensafi (Teheran) vertiefte sie ihre Fähigkeiten im Bereich Zeichnung und Druckgrafik.