Inhaltsverzeichnis
Gewerkschaften Inland
Ulrich Maaz: »Nicht genug – aber viel mehr als nichts« – Kurze Einschätzung zum Tarifergebnis im öffentlichen Dienst der Länder 3
Reiner Heyse: »Weitere Sargnägel für die gesetzliche umlagefinanzierte Rente« – zu Abgründen geplanter Rentenpolitiken 6
Torsten Bewernitz: »Klasse Klima« – Anregungen zu zarten Pflänzchen der Klassenpolitik 9
Gaston Kirsche: »Ursachenforschung: Pustekuchen« – Über die Ausstellung „Konflikte“ im Hamburger Museum der Arbeit 15
Betriebsspiegel
»Am konkreten Körper« – Interview mit TIE zu Analysetechniken von Arbeitsbedingungen 1
Hannes Strobel: »Diverse Kerngruppen statt Organic Leaders als Schlüssel zum Erfolg?« – Erfahrungen aus dem Organizing von Deutsche-Wohnen-Mieter:innen in Berlin 11
»Klassenfragen« – Podcast Hinweise zu Klassenlage und Klassenkampf 5
Politik & Debatte
Andreas Bachmann: »Moderater Sozialliberalismus unter wirtschaftsliberaler Haushaltsdisziplin« – Anmerkungen zur neuen Ampelregierung 4
»Seniorenaufstand« – ein Aufruf zum Paradigmenwechsel in der Rentenpolitik 8
Karin Zennig: »Jetzt reden wir!« – über den hessischen Untersuchungsausschuss zu Hanau 16
Internationales
Rezensionen
Torsten Bewernitz: »Wie hast du’s mit der Organisation?« – zu Alexander Neupert-Doppler Buch über Geschichte und Modelle der Organisierung 12
Stefan Schoppengerd: »It’s Showtime!« – über Jane McAleveys „Macht. Gemeinsame Sache“ 13
Jonas Berhe: »Wessen Wut – Wessen Aktion?« – Zur neuesten Publikation von Slave Cubela 13
Nachruf
Wir trauern um Bodo Zeuner – ein Nachruf 3
Editorial
Geneigte Leserinnen und Leser,
es ist kalt draußen. Und drinnen. Genug – mehr als Wetterbanalitäten finden sich in einigen Beiträgen dieser Ausgabe, die sich gesellschaftlichen Klimakrisen, ihren Folgen und ihrer Bewältigung widmen (S. 1, 9f.). Doch weil offenbar gar nicht mehr unterscheidbar scheint, was hier eigentlich Natur und Kultur, Körper oder Konstrukt ist und wer hier eigentlich verrückt geworden ist (s. dazu auch unsere Bildstrecke), erfreut man sich wohl recht gern am verlässlichen Glanze grüner Tannenbaumspitzen, unter denen all die roten Kugeln und goldenen Lichtlein blitzen.
Grün ist ja bekanntlich die Farbe der Hoffnung, und diese stirbt zuletzt. Frohlocken können wir bislang, weil sich noch keine weiteren Auslandseinsätze oder Rückführungsoffensiven andeuten. Vielleicht entziehen sie sich aber auch im allgemeinen Jingle Bells von Fortschritt, Vernunft und Modernität nur unserer Wahrnehmung. Einen Blick auf die Verheißungen der neuen Ampel-Koalition wirf Andreas Bachmann in dieser Ausgabe (S. 4f.).
Jenseits des Weltschmerzes hält uns in der Redaktion aber auch der Jahresendzeitstress in Atem. Auch wenn wir uns bemühen, nicht selbst in Katastrophismus zu verfallen, haben uns Personalfragen, hitzige Debatten mit Autor:innen, unerwartete Effekte vergangener Beiträge und – leider auch – Todesfälle teilweise ganz schön aus der Bahn unserer Redaktionsroutine geworfen (siehe den Nachruf auf unseren langjährigen Wegbegleiter Bodo Zeuner).
Unterm Weihnachtsbaum wird die Stimme des kritischen Geistes deswegen nur mit 16 Seiten und drei Beilagen zu liegen kommen. Wem dieser Lesestoff nicht reicht, der/dem sei unser Rezensionsteil wärmstens empfohlen: Gleich drei Bücher zum Thema Organisierung/Organizing werden in der aktuellen Ausgabe diskutiert (S. 12f.). Um dieses kleine Special zu vervollständigen, thematisiert Hannes Strobel die Organizing-Strategie der Kampagne Deutsche Wohnen & Co Enteignen! (S. 11) und TIE stellt sein Modell des Gesundheitsmappings vor (S. 1f.). 16 Seiten sind wohl auch genug angesichts des vorweihnachtlich-spät ausgelieferten express 11/2021. Der soll mancherorts immer noch nicht angekommen sein. Bitte meldet Euch, wenn das auf Euch zutrifft, wir senden gerne und selbstverständlich ein Exemplar nach!
Apropos „vergangene Beiträge“. Jörn Boewe machte uns darauf aufmerksam, dass wir ziemlich danebengelegen haben, als wir in Auseinandersetzung mit dem Streik der GDL vermutet hatten: „Vor zehn Jahren hätten viele ein Gesetz wie das Tarifeinheitsgesetz für nicht möglich gehalten.“ (express 9/2021, S. 7). Tatsächlich haben der damalige DGB-Vorsitzende Michael Sommer und der BDA-Präsident Dieter Hundt vor elf Jahren, nämlich im Juni 2010, öffentlich gemeinsam ein solches Gesetz gefordert – fünf Jahre, bevor diese Pläne dann vom Gesetzgeber umgesetzt wurden. Asche auf unser Haupt – vielleicht ist das nach 59 Jahren express Alterssenilität?
Was das Alter sonst noch für Schwierigkeiten – vor allem in Bezug auf die monetäre Versorgungslage – mit sich bringt, führt Reiner Heyse vom „Seniorenaufstand“ in seiner Betrachtung der aktuellen Rentenlage aus (S. 6ff.). Alter kann aber auch ein Grund zum Feiern sein: Herzliche Glückwünsche senden wir deswegen an dieser Stelle an unsere Schwesterzeitschrift im Herzen, die ak, die nach erfolgreicher Geschlechtsumwandlung 1992 (von dem Arbeiterkampf zu der analyse und kritik) in diesem Monat ihr 50-jähriges Jubiläum begeht. Rabimmelrabammel und möge es für Euch und uns nicht das „last christmas“ sein!
Sollten sich, geneigte Leserinnen und Leser, in euren Reihen vielleicht einige Weihnachtsmänner oder -frauen befinden, verweisen wir daher letztmals in diesem Jahr auf unseren beiliegenden Spendenaufruf. Statt Krawatte, Socke und Zwangsjacke ein paar Scheine unter dem Baum – und wir sehen uns wieder!
In diesem Sinne: Wir wünschen einen besinnlichen Jahresabschluss und erbauliche Lektüre – bleibt schön negativ!
Bildnachweise
Alle Bilder dieser Ausgabe sind der Graphic Novel „Ich, der Verrückte“ entnommen, die im Frühsommer dieses Jahres bei avant erschienen ist. Der Text stammt von Antonio Altarriba, baskischer Literaturprofessor und Schriftsteller, dessen preisgekrönte ‚biographische Universalgeschichte‘ „Die Kunst zu fliegen“ (2012) über das Spanien des 19. Jh. wir ebenfalls hier im express vorgestellt hatten. Mit Keko als neuem Zeichner an seiner Seite widmet er sich abermals der Frage von Wahrheit und Bewusstsein – nun in deutlich schrofferen Illustrationen und anhand eines Themas, das Stoff für Verschwörungstheorien liefert, ob an den Stammtischen von Schulmedizin-Skeptikern, Hyaloron-Abhängigen, System-Somatikern oder anthroposophischen Wissenschaftsagnostikern.
Ángel Molinos, Doktor für Psychologie und gescheiterter Schriftsteller, arbeitet in einer Klinik für psychische Störungen, die mit einem internationalen Pharmaunternehmen kooperiert. Seine Arbeit besteht aus der Identifizierung verhaltensbezogener Auffälligkeiten bzw. Trends und der Kreation neuer, pathologisierbarer psychologischer Kategorien, aus denen medikamentös behandelbare neue Krankheitsbilder entstehen sollen. Er hat Alpträume und flüchtet sich in die Erforschung der Psyche anderer – auch um seine eigene schmerzliche Vergangenheit aufzuarbeiten. Als er nach vielen Zweifeln beschließt, die Praktiken der Pharmaindustrie aufzudecken, wird er in eine kunstvolle Konstruktion aus Intrigen hineingezogen. Wird der Erfinder des falschen Wahnsinns am Ende selbst verrückt?
Verpackt in einen spannenden Thriller, in dem mit den Grenzen von Traum und Wirklichkeit ‚gespielt‘ wird, setzt sich die Graphic Novel kritisch mit der gesellschaftlichen Schaffung von Bedürfnissen und dem ökonomischen Nutzen von Krankheiten, mit der zunehmenden Individualisierung von Seelenheil und Körper-Bezogenheit auseinander. Prädikat: beklemmende Zeichnungen, sehr lesenswert, tolles Weihnachtsgeschenk.
Wir danken dem avant-Verlag sehr für die gute, langjährige Zusammenarbeit und die Überlassung der Bilder – und wir gratulieren herzlich zu den zahlreichen Preisen für Eure Bücher!
Antonio Altarriba (Text), Keko (Zeichnungen): Ich, der Verrückte. Avant-Verlag, Berlin 2021. ISBN 978-3-96445-011-1. 136 Seiten, 25 Euro.