express 04-05/2020 erschienen!

Druckausgabe express 04-05/2020

Inhaltsverzeichnis

Gewerkschaften Inland

Solidarisch gegen Corona / Fever: »Corona-Partys des Kapitals« – Die Zustände in der Fleischindustrie S. 1

René Kluge: »Bewegung mit Recht« – Gesundheitsschutz in der Corona-Pandemie S. 4

Roman Waldheim: »Die Krise macht’s möglich…« – … und fast niemand sagt was zur Aussetzung
des Arbeitszeitgesetzes S. 5

Hermann Bueren: »Das Agile Unternehmen – Arbeiten in Echtzeit« – Kritik des Leitbilds aus der Perspektive der Beschäftigten S. 6

Nikolai Huke: »Das ›Geiz ist geil-Vergabesystem‹« – Die Problematik privatisierter Sprachkurse und Maßnahmen für Flüchtlinge S. 13

Toni Richter: »Autos kaufen, Autos kaufen, Autos kaufen…« – Über die PR-strategischen Verrenkungen der IG Metall S. 15

Karin Zennig: »Erinnern heißt verändern« – Hanau nach dem Anschlag vom 19. Februar S. 18

»Prekär, migrantisch, solidarisch« – Gespräch mit den Critical Workers Berlin S. 19

Betriebsspiegel

Ülkü Süngün: »Asparagus officinalis coronae« – Eine Künstlerlandverschickung S. 8

»Strawberry Fields forever« – ErntehelferInnen in Bornheim (Bonn) im spontanen Ausstand S. 11

Internationales

Heiko Bolldorf: »Corona und Brot in Kroatien« – Angriffe auf die Situation der Beschäftigten
und die Antworten der Gewerkschaften S. 16

Rezensionen

Slave Cubela: »Migrantische Leidensgenossen« – Viele offene Fragen nach der Lektüre eines enttäuschenden Buches S. 12

Peter Nowak: »Wider den linken Geschichtspessimismus« – die ›Dynamik der Revolte‹ S. 20

Kurzgefasst

Subversion & Schabernack S. 2

Editorial S. 3

Antipasti S. 3

Sozialismus oder was? Zuschriften zur Untertitelfrage S. 17

Bildnachweise

Die Einzelporträts von Saisonarbeitskräften bei der Spargelernte wurden von Ülkü Süngün aufgenommen. Die Entstehung der Bilder wird in ihrem Text auf den Seiten 8 ff. geschildert. Ülkü Süngür bedankt sich für die Kooperation bei Giani Dano, Alexandru Balogh, Alex Balogh, Ioan Dano, Istvan Boros und ihre KollegInnen sowie Klaus und Philipp Bauerle.

Die anderen Aufnahmen sind nicht aus diesem Jahr, aber thematisch ähnlich gelagert; fotografiert wurden sie von Fritz Hofmann. Die Karikatur auf der Rückseite verdanken wir der Zuschrift unserer Leserin Simone Lehnert. Allen dreien danken wir herzlich für die Überlassung der Bilder. Die Bildrechte verbleiben bei den UrheberInnen.

Editorial

Geneigte Leserinnen und Leser,

wer hätte gedacht, dass die Corona-Pandemie dermaßen viel Bewegung mit sich bringt.

Fangen wir an mit zwei Themen, die es bewegt und erntefrisch in unsere gute alte Bleibildwüste geschafft haben: Die Pandemie ›beschert‹ uns einen seltenen Fall von Arbeitskämpfen unter Saisonarbeitskräften, nämlich auf dem Spargelgut Ritter in Bornheim bei Bonn (siehe S. 11) und – endlich! – die Einsicht auch in der Politik, dass Werkverträge offenbar nicht das Wahre sind. Seit Jahrzehnten kritisieren wir dieses fleischgewordene Institut moderner Arbeitsmarktpolitik und kapitaler Abwälzung von Profitabilitätsrisiken auf die Beschäftigten. Doch für einen radikalen Perspektivenwechsel brauchte es in der Tat erst Corona, genauer: besorgte Bürgermeister und Kommunen, denen ein neuerlicher Lockdown durch die steigenden Infektionszahlen in den zu ihrem Einzugsgebiet zählenden Massenunterkünften drohte (s. S. 1). In der Fleischindustrie hat das Werkvertragsunwesen bislang besonders widerwärtige Blüten getrieben (schön nachgezeichnet in Wolfgang Schorlaus Krimi »Der zwölfte Tag«), nun findet es hier vielleicht auch mal sein verdientes Ende. Man wird ja wohl noch mal träumen dürfen: Was der Fleischindustrie unrecht ist, kann doch für die Regaleinräumer und Autositzpolsterinnen nur billig sein.

Man mag die Begriffe »Lupe« oder »Brennglas« schon gar nicht mehr in den Mund nehmen, aber ob nun die Gemüseernte, das »Schweinesystem« Fleischindustrie oder auch Pflege und Einzelhandel: Es werden alte Probleme offensichtlicher – die Überausbeutung migrantischer Arbeitskraft, die Verwundbarkeit der Beschäftigten in den völlig wahnwitzigen Lieferketten…

Dabei ist der Spargel geeignet, die Spaltung von Redaktionen herbeizuführen. Während die einen zum Falle Bornheim fragen: »Was wird aus dem schönen Spargel?« (obgleich dort aktuell eher Erdbeeren gepflückt wurden…), halten andere das für »fahle, holzige, geschmacksneutrale Wurzeln« (das einzige Mal, dass wir die Jungle World zitieren, versprochen!), von denen das Pippi komisch riecht.

Man mag sich jedoch auch des Eindrucks nicht erwehren, dass das Gerücht, man habe durch die Pandemie mehr Zeit, teilweise stimmt – innerhalb der Online-Sitz-Redaktion lässt sich das mit Sicherheit nicht bestätigen. Doch uns erreichen nicht nur außergewöhnlich viele, sondern auch außergewöhnlich lange Beiträge. Wir sind gewappnet: Erstens haben wir, mit befreundeten Organisationen und Medien, den Blog corona-at-work.de eröffnet und wollen Euch ermuntern, dazu beizutragen. Zweitens werden wir, schon ab dieser Ausgabe, das eine oder andere online dokumentieren – den Anfang macht die Vollversion des Beitrags von Hermann Büren zu agiler Arbeit (S. 6). Um diesbezüglich auf dem Laufenden zu bleiben, empfehlen wir euch noch einmal nachdrücklich die Anmeldung zu unserem Newsletter auf https://express-afp.info.

Bleibt nur zu hoffen, dass Ihr, geneigte Leserinnen und Leser, neben all der gar nicht geringer gewordenen Arbeitskraftvernutzung und im Zuge der regen Betriebsamkeit aktivistischer Netzwerke (über die die Redaktion ebenso uneins ist wie über die Liebe zum Spargel: Haben die KollegInnen von der analyse und kritik Recht damit, dass es vor allem darum geht, das eigene Ohnmachtsgefühl zu kaschieren, oder ist es ein veritables Bewegungshoch?) auch genug Zeit findet, das alles zu lesen. Möge es besser bekommen als der blutige Spargel an holzigem Dry Age-Steak in viralem Texas-Wonderdust-Rub …