express 02/2020 erschienen!

express 02/2020 erschienen!

Druckausgabe express 02/2020

Inhaltsverzeichnis

Gewerkschaften Inland

Kirsten Huckenbeck: »Kontrollverlust?« – Gewerkschaften in der ›Krise der Repräsentation‹ S. 1

»Der Wunsch nach mehr Konflikt« – Interview mit Maren Hassan-Beik, Lukas Zappino und Ulrich Brinkmann über Rechtspopulismus in gewerkschaftlichen Kontexten S. 3

René Kluge: »Bewegung mit Recht« – Was kann der Betriebsrat gegen Fremdenfeindlichkeit und Rechtspopulismus tun? S. 4

Tim Ackermann, Mark Haarfeldt: »Deutungsabhängig« – ›Landnahmen‹ der AfD im Kopf begegnen S. 5

Slave Cubela: »Militante Minderheit« – Oder: warum Thüringen an Jugoslawien grenzt S. 7

Dörthe Stein: »K&K-Fragen« – Über gewerkschaftlichen Handlungsdruck in der ITK-Branche hin zu ökologischer und sozialer Nachhaltigkeit S. 11

Wolfgang Völker: »Hartz IV hinter uns lassen – und dann?« – Die Konzepte von Parteien, Gewerkschaften und Wissenschaft kritisch betrachtet (Teil 1) S. 12

AG Feministische Lohnarbeitskämpfe: »Gewerkschaft feministischer denken« – Zum kommenden 8. März S. 14

Betriebsspiegel

Petra Zahradka: »Aufwachen und sich wehren« – Aktive Mittagspause bei Jenoptik gegen die Wahl Kemmerichs mit AfD-Stimmen S. 6

Peter Balluff: »Adieu real, es wäre so schön gewesen« – Resümee der Geschichte einer Einzelhandelskette S. 19

Internationales

»Konfrontativ dank Feminismus« – Interview mit der türkischen Gewerkschafterin und Feministin Necla Akgökce S. 16

»Im Schutz der Familie« – Interview mit Hülya Osmanağaoğ lu über die Entwicklung der Frauenbewegung in der Türkei S. 17

Rezensionen

Torsten Bewernitz: »Gelb geht die Sonne auf…« – Zu einem Sammelband über die Gelbwesten und zu unserer Bildstrecke S. 10

Ders.: »Metaphorisch streiken?« – Brigitte Kiechles Geschichte des Frauenstreiks S. 15

Eberhardt Schmidt: »Gewerkschaftsführer im ›Zeitalter der Extreme‹« – Die Biografie Alwin Brandes’ S. 20

In eigener Sache

»Sozialismus – oder was?« – Zuschriften zur Untertitelfrage S. 9

Veranstaltung mit Willi Hajek zu Gelbwesten & Gewerkschaft S. 10

Kurzgefasst

Editorial S. 2

Subversion & Schabernack S. 9

Bildnachweis

Die Bilder dieser Ausgabe haben wir dem von Willi Hajek herausgegebenen Sammelband Gelb ist das neue rot. Gewerkschaften und Gelbwesten in Frankreich. (Die Buchmacherei, Berlin 2020) entnommen. Eine Buchrezension und die Ankündigung einer Buchvorstellung mit dem Herausgeber findet ihr auf Seite 10. Wir danken Herausgeber, Verlag und der SUD Solidaires für die freundliche Überlassung!

Editorial

Geneigte Leserinnen und Leser,

als Zeitung mit zehn Ausgaben im Jahr ist es für uns gewöhnlich schwer, aktuelle Ereignisse zu fokussieren, unser Interesse gilt in der Regel – und das wird auch so bleiben, ist es doch auch deutlich nachhaltiger – längerfristigen Entwicklungen. Unter denen gibt es allerdings einige, die permanente Ereignishaftigkeit garantieren: etwa die ökologische Krise oder die politische in Form des Aufstiegs der neuen respektive untoten Rechten. Die Schmierenkomödie um die Wahl Kemmerichs hätte uns als aktueller Ankerpunkt allerdings durchaus gereicht. Jetzt kommen die Morde von Hanau hinzu.

Unser Schwerpunkt zum Drift nach rechts und der Frage, wie er sich in und für Gewerkschaften darstellt, umfasst neben dem Beitrag von Kirsten Huckenbeck über Kontrollverlust und Kontrollwahn im Kapitalismus (S. 1), einen Beitrag von Slave Cubela, der in der Redaktion reichlich kontrovers diskutiert wurde (und vielleicht nicht nur uns zu Widerspruch anregt). (S. 7). Ulrich Brinkmann, Maren Hassan-Beik und Lukas Zappino haben uns Fragen zu ihren Interviews mit GewerkschafterInnen beantwortet (S. 3). Aus Thüringen können wir von einem Beispiel betrieblichen Protests gegen die Kooperation mit der AfD berichten – die Belegschaft von Jenoptik hat auf die Wahlfarce mit einer aktiven Mittagspause reagiert (S. 6) Auch die Rubrik »Bewegung mit Recht« widmet sich betrieblichen Handlungsmöglichkeiten gegen Rassismus (S. 4). Auch andere Themen erweisen sich als Dauerbaustellen, so der Frauentag am 8. März, der mehr und mehr auch als Kampftag wiederentdeckt wird. Die AG Feministischer Gewerkschafterinnen hat uns ihre aktuellen Gedanken dazu zur Veröffentlichung überlassen (S. 14), außerdem haben wir eine Buchrezension zum Thema (S. 15) sowie zwei Interviews mit türkischen Feministinnen (S.16 und 17).

Und was gibt es Neues zur Zukunft unseres angeschlagenen Zeitungsprojekts? Uns haben einige Zuschriften zur in der letzten Nummer aufgeworfenen Untertitelfrage erreicht (S. 9), und wir haben unsere Gespräche über mögliche Formen der Zusammenarbeit mit der Redaktion der SoZ fortgesetzt. LeserInnen der Sozialistischen Zeitung – und davon soll es ja auch unter euch, geneigte Leserinnen und Leser, einige geben – haben bereits mitbekommen, dass wir miteinander kungeln. Das ist alles noch völlig ergebnisoffen, aber, soviel sei schon mal verraten, äußerst produktiv.

Ein Letztes: Vielleicht wundert sich der eine oder die andere darüber, wie dick diese Zeitung ist. Auch wenn sie den Umfang einer Doppelausgabe hat, wird der express 3/2020 turnusgemäß im März erscheinen. Pausieren werden wir erst im April. Einstweilen wünschen wir eine entspannte, extralange Lektüre in unruhigen Zeiten.

express 01/2020 erschienen!

express 01/2020 erschienen!

Druckausgabe express 01/2020

Inhaltsverzeichnis

Standortfragen

Torsten Bewernitz: »Die Gewerkschaft von morgen?« – Die IG Metall Mannheim stellt die Weichen auf »gesamthaftes« Organizing S. 1

»Fortschrittliches Wortungetüm« – Wie soll Personalbedarf im Krankenhaus ermittelt werden? S. 3

»Die Wucht, die wir entwickeln können« – Torsten Bewernitz im Gespräch mit Klaus Stein über das Projekt »Wir in Mannheim – gemeinsam stark« S. 4

»Mannheimer Blitzlichter« – Kommentare von ehrenamtlichen TeilnehmerInnen am »Blitz« im Mai 2019 S. 5

Romin Khan: »Kein wir ohne uns« – Diskussion über eine Quote für MigrantInnen auf dem ver.di-Bundeskongress S. 8

»Betriebsversammlung auf Malle« – Interview mit Aktiven von chefduzen.de S. 10

Slave Cubela: »Die rote oder die blaue Pille?« – Zu Genese und Kritik des Populismus S. 12

Recht auf Stadt Freiburg: »Gefakte Leistungsnachweise?« – Hausverbot bei Vonovia – Solidarität mit Knut Unger! S. 13

Betriebsspiegel

La Banda Vaga: »Nationales Erneuerungsprogramm, nachgeholt« – Thesenpapier zu Hintergründen und Konsequenzen von »Industrie 4.0«, Teil II S. 6

Peter Nowak: »Elektroentwickler ohne Elektronik« – Stuttgarter Arbeitsgericht weist Kündigungsschutzklage ab S. 11

Bewegung mit Recht

René Kluge: »Mitbestimmung bei der Personalbemessung?!« – Tipps für die Betriebsratsarbeit S. 3

Internationales

»Macht mehr draus!« – Interview mit Jürgen Hinzer über die internationale Coca-Cola-Konferenz in Paris S. 9

»Im Schatten der Textilfabriken« – Arndt Dohmen im Interview über medizinische Versorgung von ArbeiterInnen in Bangladesch S. 14

Rezensionen

»Burn out zwischen Meeting und TelKo« – Andreas Meinzer über die Strichmännchen, die diese Ausgabe füllen S. 15

»Kein Mehrwert für niemand« – Andreas Meinzer im Gespräch mit Andre Lux S. 15

Heiner Dribbusch: »Vor der Geschichte« – über eine aktuelle Veröffentlichung zum baden-württembergischen Metallarbeiterstreik 1963 S. 16

Kurzgefasst

Neujahrsansprache statt Editorial: »Sozialismus oder was?« S. 2

Subversion & Schabernack S. 2

Antipasti S. 4

Dringliches S. 7, 12 u. 13

Leserliches S. 8

Bildnachweise

Die Bilder im Innenteil dieser Ausgabe stammen aus dem Band »LARS. Der Agenturdepp« von Andre Lux, erschienen bei Cross-Cult in Ludwigsburg. Wir danken Zeichner und Verlag für die Überlassung der Bilder. Hintergrund und mehr auf Seite 15 dieser Ausgabe.

Sozialismus oder was?

Neujahrsansprache statt Editorial: Schwarmintelligenz für Schwärmerisches

»Zeitung für sozialistische Betriebs- und Gewerkschaftsarbeit« – wer macht denn sowas, und was bitte schön soll das sein? Nicht eben der Eyecatcher am Bahnhofskiosk, kein Must Have im Mittelschichtshaushalt, Blei für den Demo-Handverkauf, auch für aufgeschlossene Studierende, KaufhofbetriebsrätInnen, Eisenflechter und Jobcentermitarbeiterinnen ohne Manual für praktische Kryptologie kaum entschlüsselbar. Das vormals beliebte Verteilen vorm Tor wird außer bei »Organizing-Blitzen« ohnehin kaum noch praktiziert – aber da geht’s hochglänzender zu und Sozialismus kommt sowieso nicht vor –, und im verbliebenen linken Blätterwäldchen garantiert uns dieser Untertitel noch nicht mal Unverwechselbarkeit, weder vorm Tor noch dahinter. Was soll man anfangen mit diesem Untertitel und seiner »Anmutung«?

Seit 1972 erscheint der express unverändert mit dem Untertitel »Zeitung für sozialistische Betriebs- und Gewerkschaftsarbeit«. Also seit der Fusion der vom Sozialistischen Büro (SB) herausgegebenen »Sozialistischen Betriebskorrespondenz« mit dem 1962 gegründeten und von der GfP (Gesellschaft für Forschung und internationale Kooperation auf dem Gebiet der Publizistik e.V.) herausgegebenen express international, mit dem die deutschen Verhältnisse auf die Höhe der Zeit, d.h. auf das Diskussionsniveau im europäischen Ausland, insbesondere in Frankreich und Italien, und in den anti-kolonialen Befreiungsbewegungen weltweit gebracht werden sollten. »Sozialismus« wurde und wird im Kontext des SB in der Tradition der »Neuen Linken« der Nachkriegsbundesrepublik verwendet, um sich sowohl von der Sozialdemokratie und damit der »sozialen Marktwirtschaft« als auch vom »Kommunismus« in seinen staatsautoritären Varianten abzugrenzen. Doch dazwischen ist eine Menge Luft und Platz, der für Bestimmungen vieler Art offenbleibt.

Es ist nicht so, dass es innerhalb der Redaktionen, die seit der Fusion den express produziert haben, nicht immer wieder Debatten um den Untertitel und dessen Be­deutung gegeben hätte. Anfang der 1990er Jahre (wen wundert der Zeitpunkt?) war eine Weile lang die Variante »Zeitung für undogmatische Gewerkschaftsarbeit« auf den Anzeigen im Umlauf. Die letzte große Ausein­andersetzung endete 2011/12 mit der Beibehaltung des Untertitels – wegen der historischen Bezüge auf alles, was ›zwischen den Stühlen sitzt‹, aber auch wegen der Potentiale und unabgegoltenen Ansprüche, die in dem Begriff lägen. Andere wiederum verbanden mit dem Begriff ein einziges großes Scheitern, wie etwa Werner Imhof 1999 schrieb:

»Seit seiner Gründung vor einem guten Vierteljahrhundert läuft der express einer Fiktion hinterher: der ›sozialistischen Betriebs- und Gewerkschaftsarbeit‹, der er sich laut Untertitel verschrieben hat und die er bedenkenlos auch schon mal als ›sozialistische Betriebs- und Gewerkschaftspolitik‹ bezeichnet. Fiktion deshalb, weil damit nie (eine wie immer geartete) sozialistische Arbeit in Betrieben und Gewerkschaften gemeint war, sondern allein ›die Arbeit in den Betrieben und Gewerkschaften, die konsequent an der Durchsetzung der Interessen der Lohn- und Gehaltsabhängigen festhält‹, also schlicht ›konsequente‹ Gewerkschaftsarbeit auf Betriebs- und Branchenebene. Daß der express meinte, sie als ›sozialistische‹ etikettieren zu können, beruhte auf einem ebenso platten wie grundlegenden Mißverständnis: Er sah in ihr schon einen ›Kampf gegen kapitalistische Produktions- und Herrschaftsverhältnisse‹« (Zitate aus »Gemeinsame Erklärung« der beiden Vorläuferpublikationen des Sozialistischen Büros, express international und Sozialistische Betriebskorrespondenz, vom November 1972, abgedruckt in express international Nr. 157, Hervorh. Werner Imhof)

Dieser Bedeutungszusammenhang ist also, wo nicht längst verloren gegangen, vorsichtig gesagt, umstritten. Dennoch hat der express die Umbenennungswelle der frühen 1990er Jahre – als etwa aus dem Arbeiterkampf die analyse und kritik wurde und die Prokla auf die Ausschreibung Probleme des Klassenkampfes verzichtete – nicht mitgemacht: Als die deutsche Linke, von wenigen Ausnahmen abgesehen, ihren kollektiven »Abschied vom Proletariat« nahm, wurde der Untertitel »sozialistische Betriebs- und Gewerkschaftsarbeit« zum Alleinstellungsmerkmal des express – und halb stolz, halb trotzig halten wir ihn seither in Ehren.

Gleichzeitig wissen wir, dass der Begriff »Sozialismus« notorisch problematisch ist. Ob nun der Kommunismus in der Formulierung von Marx und Engels oder der Anarchismus von Bakunin und Kropotkin: Beide Strömungen der ArbeiterInnenbewegung entstanden in erster Linie, um sich von einem utopistischen wie auch in der Formulierung dieser Utopien »von oben« oft autoritären (Früh-)Sozialismus abzugrenzen und sich auf eine »wirkliche Bewegung« zu beziehen. Doch ebenso problematisch ist der Sozialismus in der nicht minder autoritären Theoretisierung des historischen Materialismus als »evolutionäre« Zwischenstufe zum Kommunismus – ein Geschichtsverständnis, sei es mechanisch oder teleologisch, das er mit bürgerlichen Fortschrittsvorstellungen teilt. Nicht zuletzt macht aber auch die heute vorsichtig wiederbelebte Begrifflichkeit des »demokratischen Sozialismus« eine kritisch-solidarische Distanz im Sinne unserer parteilichen Ungebundenheit notwendig.

Uns ist auch bewusst, dass wir nicht nur Härteres gewohnten älteren LeserInnen, sondern auch neuen und jüngeren LeserInnen mit dem Begriff viel zumuten. Mag auch der Bewegungs- und Denkhorizont ein sehr ähnlicher sein, so sind doch die Assoziationen, die sich mit dem Begriff »Sozialismus« verbinden, oft ganz andere als die, auf die wir uns beziehen – wenn wir uns denn selbst einig wären. All das bedarf mehr als eines ›espresso doppio‹, um entfaltet und erörtert zu werden.

Und deswegen ist jetzt Eure schwärmerische Intelligenz gefragt, geneigte Leserinnen und Leser: Der express sucht einen neuen Untertitel, der zeitgemäß unseren Anspruch verdeutlicht, aber auch die Tradition nicht vergessen und im Alten das Werden des Neuen ahnen lässt. Wir erwarten Eure Vorschläge per Mail, Schneckenpost oder in den virtuellen Netzwerken von Facebook und Twitter. Ein Jahr lang werden wir monatlich die Vorschläge präsentieren (ein kleines Dankeschön an die TeilnehmerInnen inclusive) – die besten werden es jeweils für eine Ausgabe als Unterzeile auf unsere Titelseite schaffen, um dann zur alles entscheidenden Abstimmung zu schreiten.

Wir sind gespannt!

Eure Redaktion

Ps.: Was sonst noch alles Neues im Alten schlummert, seht Ihr, wenn Ihr diese Ausgabe näher in Augenschein nehmt – formal und inhaltlich. Wir freuen uns über Rückmeldungen auf beides!