Über die Freiheit des und der Andersdenkenden im ver.di-Fachbereich Handel
Wir alle sind Damiano!
Dem langjährigen H&M-Betriebsrat Cosimo-Damiano Quinto, der seit einiger Zeit hauptamtlich für die Gewerkschaft ver.di arbeitet, wird vorgeworfen, von seiner privaten Facebook-Seite aus im Frühjahr 2019 auf einen Artikel im „express“, Zeitung für sozialistische Betriebs- und Gewerkschaftsarbeit, verlinkt zu haben. In dem Beitrag wird die vom Bundesfachbereich Handel unter der Leitung von Stefanie Nutzenberger zu verantwortende Gewerkschaftsarbeit in der Branche kritisch beleuchtet. Die Verlinkung führte jetzt dazu, dass Damiano von der Personalabteilung eine Abmahnung erhielt. Wenn Kritik an gewerkschaftlichen Entwicklungen nur für den Papierkorb oder die Ablage dient, aber nicht über sie debattiert werden darf, ist es mit der kritischen Öffentlichkeit auch in den Gewerkschaften nicht weit her. Zu den Hintergründen der Abmahnung haben wir mit Anton Kobel, dem Verfasser des o.g. Artikels, ein Gespräch geführt – hier der Vorabdruck aus dem nächsten express, der Anfang nächster Woche erscheint. Es freut uns, wenn der Stachel der Kritik noch löckt, und es ist uns eine besondere Ehre, gegen die Abmahnung des Kollegen zu protestieren, der unsere Einladung zu der Debatte, wie den Entwicklungen im Einzelhandel begegnet werden kann, ernstgenommen und weitergegeben hatte. (Hier geht es zum ausführlichen Protestbrief und den Erstunterzeichner*innen)
Anstatt die dringend notwendige Stärkung von ver.di offen in der
Mitgliedschaft zu diskutieren, wird auf bürokratische Weise das Gegenteil
betrieben. Das zielt auf alle Kolleg*innen, die eine gewerkschaftliche
Erneuerung im Handel von der Basis her befürworten.
„Wir alle sind Damiano!“ hieß bereits 2015 der Slogan einer breiten
Solidaritätsbewegung, als sein damaliger Arbeitgeber H&M vor dem
Bundesarbeitsgericht in Erfurt mit einer gegen ihn ausgesprochenen Kündigung
auf der ganzen Linie scheiterte. Damals ging es um Rede- und Meinungsfreiheit
sowie Demokratie in den Betrieben.
Auch wegen dieses standhaften Verhaltens als Gewerkschafter wurde
Cosimo-Damiano Quinto als Hauptamtlicher in ver.di eingestellt.
Als engagierte Gewerkschaftsmitglieder solidarisieren wir uns auch heute mit Cosimo-Damiano Quinto!
Wir protestieren gegen diesen untauglichen Versuch, sein demokratisches Recht auf freie Meinungsäußerung und seine gewerkschaftlichen Betätigungsmöglichkeiten einzuschränken!
Wir fordern die Rücknahme der Abmahnung, denn sie ist der Versuch, kritische Öffentlichkeit im Fachbereich Handel zu unterbinden.
Die Herausgeberin des express, die AFP e.V., selbst ein Kind des SB, wird in Zukunft die Aufgaben des SB übernehmen. Aus diesem Grund veröffentlichen wir hier den Brief des SB-Arbeitsausschusses an die SB-Mitglieder. Die Kooperation der Schwesterprojekte express, links-netz und Widersprüche soll in Zukunft weiter gestärkt werden.
sozialistisches büro
express – widersprüche – links-netz
An die Mitglieder des SB
November 2016
Geschichte machen, auch in der Gegenwart!
Unterstützung des SB und seiner Publikationsprojekte nötig / Änderung Bankverbindung
Liebe Genossinnen und Genossen,
liebe Freundinnen und Freunde,
leider haben uns die Postbank 2015 und in diesem Jahr nun auch die Santander-Bank gekündigt. Alle Versuche, die Banken mit Verweis auf unsere z.T. schon jahrzehntelange Kundenbeziehung und den ‚guten Namen‘ der Mitglieder des SB-Arbeitsausschusses zur Rücknahme der Kündigung zu bewegen, waren erfolglos. Die neuen Kontoführungsbestimmungen (Geldwäschegesetz) und vor allem die fehlende bürgerliche Form (Satzung, eingetragener Verein) waren es, die eine Weiterführung dieser Konten verunmöglicht haben. Damit werden auch Deine/Eure Daueraufträge und Lastschrifteinzüge nicht mehr ausgeführt. Dem Charme des SB – seine bewusst offene Form, die weder Partei noch Verein sein sollte, die (Selbst-) Organisation über den „Arbeitsfeldansatz“ und die koordinierende Rolle des „Büros“, das für die Kommunikation und zwischen den Projekten sorgt – erliegt zumindest das Bankenwesen leider nicht mehr und hat unsere Drähte zu Euch daher gekappt. Das ist bei vielen von Euch nicht unbemerkt geblieben, vor allem aber auch in unserer Finanzsituation spürbar.
In dieser Situation wenden wir uns als gewählter Arbeitsausschuss des SB (Günter Pabst, Prof. Dr. Michael May, Dr. Eva-Maria Krampe, Dr. Rudolf Walther, Edgar Weick und Kirsten Huckenbeck) an Euch mit der Bitte, ggf. offene Beiträge zu überweisen und das SB und seine Projekte weiterhin zu unterstützen – z.B. indem Ihr Eure Daueraufträge umlenkt oder neu einrichtet, und zwar an die Arbeitsgemeinschaft zur Förderung der politischen Bildung e.V. (AFP).
Die AFP e.V., selbst ein Kind des SB und 1986 eigens gegründet, um einen vereinsrechtlich abgesicherten Rahmen für Bildungsaktivitäten des SB zu schaffen, ist seit 1997 auch Herausgeberin des express und zahlreicher Broschüren und Reihen (z.B. Ränkeschmiede – Texte zur internationalen ArbeiterInnenbewegung). Sie bietet den organisatorischen und rechtlichen Rahmen für die Unterstützung der oft in Kooperation mit den Schwesterprojekten „links-netz“ und „Widersprüchen“ geplanten Veranstaltungen und vielfältigen Publikationsprojekte der drei Redaktionen, u.a. in den Bereichen:
Gesundheitspolitik: Care-Ökonomie, Vernetzung und Unterstützung von Kämpfen gegen Privatisierung und Ökonomisierung des Gesundheitswesens
Soziale Infrastrukturpolitik als Kritik der und Alternative zur herrschenden Sozialpolitik
Migrationsökonomie, Migrationsberatung und Unterstützung von Kämpfen gegen das tödliche Grenzregime der EU
Vernetzung und internationale Solidarisierung gegen die neoliberale und austeritätspolitische Praxis der Globalisierung (s. z.B. die Aktivitäten des Griechenland-Solidaritätskomitees oder die aktuelle Film- und Veranstaltungsreihe „Das ist Europa“)
Neue Formen von Organisierung und aktivierender gewerkschaftlicher Basisarbeit – vom Community-Organizing und dem Recht auf Stadt bis zu den „StammtischkämpferInnen“ gegen Alltagsrassismus inner- und außerhalb der Betriebe
u.v.m.
In den Geschäftsräumen der AFP e.V. ist auch das Redaktionsbüro des express zuhause, hier wird – neben den drei Zeitschriftenarchiven – das Archiv der SB-Publikationen geführt und gepflegt, das Ihr seit Kurzem auch auf der neuen Homepage des express besichtigen könnt. Nicht zuletzt aufgrund des vermehrten Interesses an der Geschichte des SB und dem mehrfach an uns herangetragenen Bedürfnis nach einem konkreten Austausch über die Aktualität und Brauchbarkeit des Arbeitsfeldansatzes und der Organisationsvorstellungen des Sozialistischen Büros haben wir uns entschlossen, die archivierten Materialien sukzessive online zugänglich zu machen – schaut mal rein unter:
Kurzum und entgegen anderslautenden Gerüchten: Das SB lebt weiter! Das merken wir immer wieder spätestens dann, wenn es um Solidarität und Unterschriften für konkrete politische Anliegen geht. Alte Freundschaften und Kontakte tragen noch, neue sind hinzugekommen – vor allem über die publizistische Arbeit und die Veranstaltungen der drei Redaktionen. Doch all das kostet auch Geld, und deshalb wenden wir uns mit einem Anliegen an Euch:
Einige von Euch beziehen – zum Teil schon seit zwei Jahren – den express und/oder die Widersprüche, allerdings ohne Beitragszahlungen. Gerne würden wir Euch die Zeitschriften auch weiterhin zukommen lassen, benötigen dafür aber eine Kostendeckung. Wir bitten Euch daher zu überprüfen, ob noch Beiträge offen sind und uns diese zu überweisen. Zudem bitten wir Euch um eine Mitteilung, ob Ihr Eure Mitgliedschaft im SB aufrechterhalten möchtet (das schließt den Bezug unserer Zeitungen und auf Wunsch auch weiterer Publikationen ein), und uns dies im anhängenden Formular oder formlos per Email mitzuteilen.
Alternativ könnt Ihr Eure Mitgliedschaft auch in ein Abonnement von express oder Widersprüchen umwandeln (s. Anlage). Wir leiten diese dann an die AFP e.V. als Herausgeberin des express bzw. den Verlag Westfälisches Dampfboot als Verleger der Widersprüche weiter.
Falls Ihr über Veranstaltungen und Aktivitäten der Zeitschriftenprojekte auf dem Laufenden gehalten werden möchtet, bitten wir Euch darüber hinaus, uns Eure Email-Adresse zu senden. Das spart Portokosten, ist schneller, und Ihr erhaltet per Email Einladungen und aktuelle Hinweise auf die vielfältigen Formen „eingreifenden Denkens“ und die politische Netzwerkarbeit der Redaktionen.
All das ist nur ein Ausschnitt dessen, was uns bewegt und was wir zu bewegen versuchen. Wir würden uns freuen, wenn Ihr – in welcher Form auch immer – weiter daran teilhaben würdet, und bitten Euch daher um eine Rückmeldung, ob und wie Ihr das SB und damit die Arbeit der Redaktionen unterstützen könnt.
Herzliche Grüße
Kirsten Huckenbeck (express) Günter Pabst (SB) Michael May (Widersprüche) Eva-Maria Krampe (Arbeitsausschuss SB) Joachim Hirsch (links-netz)