Inhalt
Gewerkschaften Inland
Torsten Bewernitz: »Schlüsselpersonen ent-schlüsseln!« – Make the Schlüsselperson organic again 1
Jan Rottenbach: »Brandmauern gegen blaue Elefanten?« – Die Betriebsratswahlen unter dem Druck der Rechten 4
»Wir streiken zusammen!« – Stellungnahme von Kolleg:innen aus GEW und ver.di zur Tarifrunde der Länder 7
Tomas Nieber: »Wer schoss das Eigentor?« – Antwort auf Andreas Bachmanns Kritik der Mitgliedervorteile in Tarifverträgen 9
Ulrich Maaz: »Zulage für einige statt Zulage für alle« – Tarifliche Zulagen im öffentlichen Dienst Hamburgs 9
Betriebsspiegel
»Eine Strategie, um die Belegschaft zu spalten« – Norbert Göbelsmann im Gespräch über den Streik bei Avnet/Tria 6
Julius Glaser: »Betriebe in Arbeiter:innenhand« – Proletarische Öffentlichkeit in Produktivgenossenschaften? 6
Dinah Burgmann, Deniz Ciftci, Lier Rehfisch: »Auch Lobbying kann wirken« – Student:innen setzen 1.000 Euro Praktikumsvergütung durch 8
Arbeitsrechte in prekären Lebenslagen (10)
»Habe ich überhaupt keine Rechte?« – Nikolai Huke im Gespräch mit Tarek Jabi und Megan Shah (Faire Integration Hamburg) 3
Politik und Debatte
»Fahren wir nochmal zusammen?« – Gespräch mit »Klima und Klasse« über Arbeiter:innen- und Klimabewegung 10
Gaston Kirsche: »Ausnahmezustand in Hamburg« – Mit dem Manöver »Red Storm Bravo« wurde der Kriegsfall geprobt 16
Internationales
Heiner Dribbusch: »Sparpolitik, Streiks und eine gespaltene Linke« – Proteste in Frankreich und Aufwind der Rechten 12
Rezension
Lucas Rudolph: »Eine Klasse kann man nicht basteln« – Nicole Mayer-Ahuja entdeckt die Klassenzusammensetzung wieder 14
Editorial
Geneigte Leserinnen und Leser,
viele Redewendungen drücken zwar etwas Wahres aus, verschweigen dabei aber etwas genauso Wahres. »Morgenstund‘ hat Gold im Mund« hören Kinder schon von ihren Eltern, wenn sie sich morgens auf den Weg zur Schule machen sollen. Bei Vorgesetzten ist der Satz ebenso beliebt, um Beschäftigte zurechtzuweisen, die nicht zwanzig Minuten vor Schichtbeginn am Arbeitsplatz eintreffen. Mag ja sein, dass es manchmal sinnvoll ist, früh dran zu sein. Aber kann es Zufall sein, dass die Redensart das Umgekehrte verheimlicht? Nämlich wie schön es ist, genüsslich auszuschlafen! Apropos »Gold im Mund«: Bitte beachtet den Hinweis zur leider notwendigen Preiserhöhung für den express (S. 2).
Noch so eine Redewendung, der man nicht ohne Vorbehalt glauben sollte: »Aller Anfang ist schwer«. Denn ein Ende ist oft viel schwerer. Das ist uns schmerzlich bewusst geworden, als wir diese Ausgabe für Euch zusammengestellt haben, die die zehnte und letzte Folge von Nikolai Hukes Kolumne »Arbeitsrechte in prekären Lebenslagen« enthält (S. 3). Ein Jahr lang durften wir Euch seine Gespräche mit Beschäftigten von Beratungsstellen präsentieren, die jedes Mal zeigten, wie Leute von ihren Arbeitgebern drangsaliert werden, und wie schwer es sein kann, sich dessen zu erwehren.
Viel Zeit zum Zurückschauen haben wir allerdings nicht, denn das Kommende wirft seine Schatten voraus: Im Frühjahr stehen die Betriebsratswahlen an. Sie werden uns, na klar, in den nächsten Ausgaben beschäftigen. Den Auftakt zu unserer Vorabberichterstattung macht Jan Rottenbach, der sich mit dem Problem befasst, dass man bei den anstehenden Wahlen mit rechten Kandidat:innen und Listen rechnen muss (S. 4). Wir hoffen, mit diesem und den noch folgenden Artikeln Diskussionen unter Kolleg:innen anstoßen zu können.
Manchmal scheint uns das zu gelingen. Die Ausgabe, die Ihr in Händen haltet, beweist es, und wir freuen uns darüber wie Foodtruck-Betreiber:innen über Zohran Mamdanis Wahlsieg in New York. Gleich drei Artikel reagieren auf Texte in früheren express-Ausgaben: Torsten Bewernitz nimmt Slave Cubelas Kritik des Schlüsselpersonen-Konzepts im Organizing aus unserem letzten Heft auf (S. 1). Auf Andreas Bachmanns Artikel zu Mitgliedervorteilen in Tarifverträgen aus eben jenem antwortet Tomas Nieber (S. 9). Und Julius Glaser führt mit seinem Artikel über die proletarische Öffentlichkeit in Produktivgenossenschaften (S. 6) eine Diskussion weiter, die den Schwerpunkt unserer vorletzten Ausgabe prägte.
Für Kontinuität stehen auch die anderen Artikel in dieser Ausgabe, leider meist für eine schlechte: Unternehmen denken sich immer neue Strategien aus, um Belegschaften zu spalten (S. 6). Die Zusammenarbeit von Klima- und Arbeiter:innenbewegung geht weiter schleppend voran (S. 10). Flotter geht es hingegen bei der Militarisierung des Zivilen (S. 16). In Frankreich wird zwar protestiert, doch es gelingt nicht, die Sparpläne des Lagers um Präsident Emmanuel Macron abzuwenden (S. 12). Schon ganz kleine Verbesserungen im öffentlichen Dienst in Hamburg (S. 9) und für rheinländische Student:innen bei ihren Pflichtpraktika (S. 8) erfordern viel Durchhaltevermögen. In der kommenden Tarifrunde für die Landesbeschäftigten sind keine großen Sprünge zu erwarten (S. 7). Und seit Generationen hat sich wenig daran geändert, dass die tägliche Arbeit die Lohnabhängigen spaltet (S. 14). Bitte verzeiht uns die Miesepeterei. Wir hätten gerne Schöneres zu berichten. Aber wir können uns, im Gegensatz zu Pippi Langstrumpf, die Welt nicht machen, wie sie uns gefällt. Vielleicht hilft es ja, ein paar Erkenntnisse über das Schlechte zu gewinnen.
In diesem Sinne: Wir wünschen anregende Lektüre!
Bildnachweis
»Der Mensch lebt nicht vom Brot allein«, heißt es in der Bibel und bei Bertolt Brecht – aber ohne Brot ist alles nichts. In einer wilden Mischung aus Kochbuch und Kulturgeschichte wirft die Berliner Künstlerin Tine Steen einen Blick in die Urgeschichte der Menschheit und untersucht, wie die tägliche »Manipulation von Nahrung«, die wir heute »Kochen« nennen, nicht nur unsere Körper, sondern auch unsere sozialen Beziehungen geformt hat. Sie geht einer Vielzahl von Thesen nach, mit denen Wissenschaftler:innen versuchen, die sogenannte Evolution der Menschheit zu erklären, die mitnichten immer eine Fortschrittsgeschichte ist. Neben der Produktion und Verteilung von Nahrung thematisiert Steen auch die Formen der Arbeitsteilung, die damit einhergehen.
Wer sich von den expliziten Darstellungen, wie Tiere getötet werden, nicht abschrecken lässt, lernt die Verarbeitung von Fleisch in allen bekannten archaischen Methoden (und bisweilen wiederkommenden Moden) kennen. Dem Gemüse geht es übrigens auch an den Kragen: Wenn es nicht geröstet oder gegrillt wird, wird es fermentiert – oder gleich roh verspeist.
Wir danken dem Avant-Verlag herzlich für die Überlassung der Bilder!
Tine Steen: Die kochenden Affen, Avant-Verlag, Berlin 2025, 296 Seiten, 17 x 24 cm, vierfarbig, Flexcover, ISBN: 978-3-96445-151-4, 29 Euro.